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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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einer von ihnen, ein großer, alter Kerl, aufgestanden, hat › Darf ich, Fräulein ?‹ gesagt und sich neben mich gelegt.« Ihre Wangen liefen zartrosa an. »Also habe ich mir gedacht, ich stehe lieber auf und komme zu euch.«
    »Oh«, sagte ich und verkniff mir ein Lächeln. »Das war dann wohl Gerhard.« Der alte Bauer war ausgesprochen praktisch veranlagt und konnte sich wohl keinen Grund vorstellen, warum er seine betagten Knochen auf einen harten Dielenboden legen sollte, wenn doch Platz in einem Bett war.
    »Ich nehme es an«, sagte sie undeutlich, den Mund voller Kuchen. »Wahrscheinlich ist er ja harmlos, aber trotzdem...«
    »Nun, zumindest dürfte er dir nicht gefährlich werden«, pflichtete ich ihr bei. Gerhard Mueller war der Patriarch einer großen, deutschen Familie, die zwischen Fraser’s Ridge und der Herrnhutersiedlung in Salem lebte. Er war Ende siebzig, aber alles andere als harmlos.
    Ich dachte bedächtig kauend daran zurück, wie Jamie mir die Skalps beschrieben hatte, die an Gerhards Scheunentor genagelt waren. Frauenskalps mit langem, dunklem, seidigem Haar, dessen Spitzen sich im Wind hoben. Als wären es lebendige Wesen , hatte er gesagt, und sein Gesicht hatte bei dieser Erinnerung bestürzt ausgesehen. Wie ans Holz genagelte Vögel . Und dann der weiße Skalp, den Gerhard mir gebracht hatte, in Leinen gewickelt und blutbefleckt. Nein, nicht harmlos. Ich schluckte, und der Kuchen klebte mir trocken in der Kehle.
    »Harmlos oder nicht, sie haben bestimmt Hunger«, sagte Mrs. Chisholm praktisch. Sie bückte sich und sammelte ein Maisstrohpüppchen, eine nasse Windel und ein sich windendes Kleinkind ein, wobei sie es irgendwie schaffte, eine Hand für ihren Kaffee frei zu behalten. »Am besten schaffen wir hier Ordnung, bevor die Deutschen das Essen wittern und an die Tür hämmern.«
    »Haben wir denn noch etwas für sie?«, sagte ich und versuchte nervös, mir ins Gedächtnis zu rufen, wie viele Schinken wir noch im Räucherschuppen hatten. Nach zwei Wochen der Gastfreundschaft schwanden unsere Vorräte mit alarmierender Geschwindigkeit dahin.
    »Natürlich haben wir das«, sagte Mrs. Bug energisch, während sie ihre Wurst kleinschnitt und die Scheiben auf das brutzelnde Bratblech warf. »Lasst mich hier nur fertig machen, und dann könnt Ihr sie zum Frühstück
kommen lassen. Du, a muirninn «, sie klopfte einem etwa achtjährigen Mädchen mit dem Küchenschieber auf den Kopf. »Lauf in den Gemüsekeller und hol mir eine Schürze voll Kartoffeln. Deutsche mögen Kartoffeln.«
    Als ich mit meinem Porridge fertig war und damit anfing, die Schüsselchen zum Spülen einzusammeln, hatte Mrs. Bug bereits den Besen in der Hand und fegte mit rücksichtsloser Effizienz die Kinder mit den Abfällen zur Tür hinaus, während sie einen ganzen Strom von Befehlen an Lizzie und Mrs. Aberfeldy-Ruth, so hieß sie-austeilte, die sie als Hilfsköche verpflichtet zu haben schien.
    »Soll ich helfen...«, setzte ich ausgesprochen schwach an, doch Mrs. Bug schüttelte den Kopf und schwenkte den Besen.
    »Denkt erst gar nicht daran, Mrs. Fräser!«, sagte sie. »Ihr habt gewiss genug zu tun, und - halt, mit diesen Schmutzschuhen kommt Ihr mir nicht in meine schöne, saubere Küche! Hinaus, hinaus, und putzt sie Euch ab, bevor Ihr auf die Idee kommt, hier einzutreten!«
    Gerhard Mueller stand in der Tür, gefolgt von seinen Söhnen und Neffen, und machte ein verblüfftes Gesicht. Mrs. Bug, die sich weder von der Tatsache beirren ließ, dass er sie um mehr als dreißig Zentimeter überragte, noch davon, dass er kein Englisch sprach, verkniff das Gesicht und piekste ihn fest mit dem Besen in die Schuhe.
    Ich winkte den Muellers grüßend zu, dann ergriff ich die Gelegenheit und entfloh.
     
    Um der Menge im Haus aus dem Weg zu gehen, wusch ich mich draußen am Brunnen, dann ging ich zu den Schuppen und beschäftigte mich damit, eine Bestandsaufnahme zu machen. Die Lage war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte; wir hatten genug, um den Winter - bei sorgsamer Einteilung - zu überstehen, wenn ich auch sehen konnte, dass man Mrs. Bug ein wenig auf ihre großzügigen Finger schauen musste.
    Neben den sechs Schinken hingen noch viereinhalb Speckseiten im Räucherhaus, dazu ein Wandbord mit getrocknetem Wild und die Hälfte eines relativ frisch erlegten Hirsches. Ich wandte den Blick zu den rußgeschwärzten Deckenbalken empor, die mit Bündeln getrockneter Räucherfische behängt waren, aufgespalten und steif

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