Das Flammende Kreuz
Mittelpunkt des Universums.
Keiner von uns sprach, denn wir wollten die Stille nicht stören. Es war, als stünden wir auf der Spitze eines kreisenden Berges, dachte ich - um uns ein Strudel von Ereignissen und Menschen, und jeder Schritt in eine beliebige Richtung würde uns in das wirbelnde Durcheinander zurückstürzen, doch hier im absoluten Zentrum - herrschte Friede.
Ich streckte die Hand aus und strich ihm ein paar Ahornsamen von der Schulter. Er hob meine Hand und führte sie mit einer plötzlichen Heftigkeit an seinen Mund, die mich aufschrecken ließ. Und doch waren seine Lippen sanft, war seine Zungenspitze warm auf dem fleischigen Hügel an der Wurzel meines Daumens - Venushügel genannt, der Sitz der Liebe.
Er hob den Kopf, und ich spürte die plötzliche Kühle an der Stelle, wo die uralte Narbe zu sehen war, bleich wie ein Knochen. Ein J , das in die Haut geritzt war, sein Zeichen auf meiner Hand.
Er legte seine Hand an mein Gesicht, und ich drückte mit der meinen dagegen, als könnte ich das verblichene C auf der kalten Haut meiner Wange
spüren. Keiner von uns sprach, doch der Schwur war getan, wie wir ihn schon einmal an einem Ort der Zuflucht geleistet hatten, mit den Füßen auf einem Felssplitter inmitten des Treibsandes, der einen Krieg verhieß.
Er war nicht nah, noch nicht. Doch ich hörte ihn kommen im Klang der Trommeln und Proklamationen, sah ihn im Glitzern des Stahls, wurde an Leib und Seele von Furcht durchdrungen, wenn ich in Jamies Augen sah.
Die Kühle war verschwunden, und das Blut pulsierte heiß in meiner Hand, als gälte es, die alte Narbe zu öffnen und mein Herzblut erneut für ihn zu vergießen. Der Krieg würde kommen, und ich konnte ihn nicht aufhalten.
Doch diesmal würde ich ihn nicht verlassen.
Ich folgte Jamie aus dem Wald über ein Durcheinander aus Felsen, Sand und Grasbüscheln auf einen ausgetretenen Pfad, der bergauf zu unserer Lagerstelle führte. Dabei stellte ich im Kopf erneute Berechnungen unserer Frühstückszutaten an, da Jamie mir eröffnet hatte, dass er noch zwei weitere Familien eingeladen hatte, sich uns anzuschließen.
»Robin McGillivray und Geordie Chisholm«, sagte er und hielt einen Ast zur Seite, um mich durchzulassen. »Ich dachte mir, wir sollten sie willkommen heißen; sie haben vor, sich in Fraser’s Ridge niederzulassen.«
»Aha?«, sagte ich und duckte mich, als der Ast hinter mir zurückschnellte. »Wann denn? Und zu wie vielen sind sie?«
Dies waren Fragen von weitreichender Bedeutung. Der Winter stand dicht bevor - viel zu dicht, um noch damit zu rechnen, dass man auch nur eine grob gezimmerte Blockhütte zum Schutz errichten konnte. Jeder, der jetzt in die Berge kam, würde wohl bei uns im Haus oder dicht gedrängt in einer der kleineren Siedlerhütten wohnen müssen, die auf dem Berg verstreut waren. Highlander konnten und würden zu zehnt in einem Raum leben, wenn es nötig war. Da ich nur über eine weniger stark entwickelte, englische Gastfreundschaft verfügte, hoffte ich sehr, dass es nicht nötig sein würde.
»Sechs McGillivrays und acht Chisholms«, sagte Jamie lächelnd. »Die McGillivrays kommen aber erst im Frühjahr. Robin ist Büchsenmacher; er kann den Winter über in Cross Creek arbeiten, und seine Familie kann bei Verwandten in Salem bleiben - seine Frau ist Deutsche -, bis das Wetter wärmer wird.«
»Oh, dann ist es ja gut.« Das machte also noch vierzehn zusätzliche Esser beim Frühstück, abgesehen von mir und Jamie, Roger und Brianna, Marsali und Fergus, Lizzie und ihrem Vater - nicht zu vergessen Abel MacLennan, oh, und der Soldat, der Germain gerettet hatte, das waren dann vierundzwanzig...
»Ich gehe mir etwas Kaffee bei meiner Tante ausborgen, ja?« Jamie hatte den Ausdruck zunehmender Entgeisterung in meinem Gesicht gesehen. Er grinste, und streckte mir die Arme entgegen, um mir das Baby abzunehmen.
»Gib mir den Jungen; ich nehme ihn mit, dann hast du die Hände zum Kochen frei.«
Ich sah ihnen mit einem Anflug von Erleichterung nach. Allein, wenn auch nur für ein paar Augenblicke. Ich atmete die feuchte Luft tief ein, und mir wurde bewusst, dass mir der Regen sacht auf die Kapuze klopfte.
Ich liebte gatherings und gesellschaftliche Ereignisse, musste mir aber eingestehen, dass es mir auf die Nerven ging, tagelang pausenlos unter Menschen zu sein. Nach einer Woche voller Besuche, Kaffeekränzchen, täglicher Sprechstunden und der unablässigen Folge kleiner Probleme, die unausweichlich
Weitere Kostenlose Bücher