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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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vorzuschlagen, vor unserem Aufbruch noch etwas zu essen - wir hatten seit dem Frühstück nichts mehr gegessen -, aber die Atmosphäre auf dem Hof war so verstörend, dass weder Jamie noch ich Appetit hatten.
    »Lass uns damit warten«, sagte er, während er der Stute die Satteltaschen auf den Rücken hievte. Er blickte zum Haus zurück. »Ich habe zwar ein Loch im Bauch, aber in Sichtweite dieses Hauses bekomme ich keinen Bissen herunter.«
    »Das kann ich gut verstehen.« Auch ich sah mich beklommen um, obwohl es nichts zu sehen gab; das Haus stand still und leer da. »Ich kann es gar nicht abwarten, von hier fortzukommen.«
    Die Sonne war hinter die Bäume gesunken, und ein kühler, blauer Schatten hatte sich über die Mulde gebreitet, in der das Farmhaus stand. Die Hühner waren schon lange schlafen gegangen. Die frische Erde auf Beardsleys Grab hob sich dunkel und feucht von ihrer Umgebung ab, ein flacher Hügel unter dem kahlen Geäst der Esche. Man konnte es nicht ansehen, ohne an das Gewicht der feuchten Erde und an die Unbeweglichkeit zu denken, an Fäulnis und Verderben.
    Ihr werdet verwesen und dann sterben, hatte Jamie zu ihm gesagt. Ich hoffte, dass die Umkehrung der beiden Vorgänge sich für Beardsley als Wohltat erwiesen hatte - für mich war sie jedenfalls keine. Ich zog mir das Schultertuch stramm um die Schultern und atmete fest aus, dann tief wieder ein und hoffte, dass der kühle, klare Duft der Kiefern den Phantomgeruch nach totem Fleisch vertreiben würde, der mir an Händen und Kleidern und in der Nase zu haften schien.
    Die Pferde waren unruhig. Sie stampften mit den Hufen, schüttelten die Mähnen und warteten ungeduldig auf den Aufbruch. Ich konnte es ihnen nicht verdenken. Allerdings drängte es mich, mich noch einmal umzusehen.
Ein desolaterer Anblick war kaum vorstellbar. Noch schwieriger vorstellbar war der Gedanke, allein hier zu bleiben.
    Offensichtlich hatte Mrs. Beardsley sich das vorgestellt und war zu ähnlichen Schlussfolgerungen gekommen. Jetzt trat sie aus der Scheune, das Zicklein auf dem Arm, und verkündete, dass sie mit uns kommen würde. Dasselbe galt allem Anschein nach für die Ziegen. Sie reichte mir das Zicklein und verschwand wieder in der Scheune.
    Das Zicklein war schwer und verschlafen, die biegsamen, kleinen Gelenke zu einem gemütlichen Bündel gefaltet. Es pustete mir warme Luft über die Hand und knabberte sanft daran, um zu sehen, was für ein Mensch ich war, dann gab es ein leises, zufriedenes »Mäh« von sich und lehnte sich entspannt und friedlich gegen meine Rippen. Ein lauteres »Mäh!« und ein Stups an meinem Oberschenkel verkündeten die Gegenwart der Ziegenmutter, die ein wachsames Auge auf ihren Nachwuchs hatte.
    »Nun, sie kann sie ja wohl kaum hier lassen«, murmelte ich Jamie zu, der hinter mir in der Dämmerung mürrische Geräusche von sich gab. »Sie müssen schließlich gemolken werden. Außerdem ist es doch nicht sehr weit, oder?«
    »Hast du eine Ahnung, wie schnell eine Ziege ist, Sassenach?«
    »Ich habe noch nie mit der Uhr daneben gestanden«, sagte ich ziemlich gereizt und verlagerte das Gewicht meiner kleinen, haarigen Bürde. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie im Dunkeln sehr viel langsamer sind als die Pferde.«
    Er antwortete mit einem schottischen Kehllaut, der durch den Schleim in seinem Hals noch ausdrucksvoller als sonst ausfiel. Er hustete.
    »Du hörst dich furchtbar an«, sagte ich. »Wenn wir an unserem Ziel anlangen, rücke ich dir mit dem Mentholschmalz zu Leibe, mein Herz.«
    Er äußerte keinen Einwand gegen diesen Vorschlag, was mich sehr alarmierte, da es anzeigte, dass seine Vitalität ernsthaft angegriffen war. Doch bevor ich mich weiter nach seinem Gesundheitszustand erkundigen konnte, wurde ich dadurch unterbrochen, dass Mrs. Beardsley aus der Scheune kam, gefolgt von sechs Ziegen, die zusammengebunden waren wie eine Bande angenehm betrunkener Verbrecher.
    Jamie warf der Prozession einen skeptischen Blick zu, seufzte resigniert und widmete sich der Erörterung der logistischen Probleme, mit denen wir jetzt konfrontiert waren. Mrs. Beardsley auf Gideon, den Menschenfresser, zu setzen, kam nicht in Frage. Jamie blickte von mir auf Mrs. Beardsleys kräftige Figur, dann auf die kleine Gestalt meiner Stute, die kaum größer war als ein Pony, und hustete.
    Nach einiger Überlegung ließ er Mrs. Beardsley auf Mrs. Piggy steigen und das schlafende Zicklein vor sich balancieren. Ich würde mit ihm reiten, und

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