Das Flammende Kreuz
den Hörnern nach meinem Arm, als ich die Stelle berührte. Er rollte wild mit den Augen, die seltsamen, eckigen Pupillen waren im Mondschein sichtbar, aber farblos.
»Kannst du ihn heilen, Sassenach?«, fragte Jamie.
»Ich weiß es nicht.« Die Ziege kämpfte immer noch, aber ihre anfallshaften Bewegungen wurden spürbar schwächer, als sich jetzt der Schock bemerkbar machte. Ich biss mir auf die Lippe und tastete in der Falte zwischen Bein und Körper nach dem Puls. Die Verletzung selbst war wahrscheinlich heilbar, aber der Schock bildete eine große Gefahr; ich hatte schon viele Tiere - und
auch Menschen - unmittelbar nach traumatischen Unfällen sterben sehen, obwohl ihre Verletzungen an und für sich nicht tödlich waren.
»Ich weiß es nicht«, wiederholte ich. Meine Finger hatten endlich den Puls gefunden; er raste wie ein Presslufthammer und war sehr schwach. Ich versuchte mir, die zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten auszumalen, die allesamt sehr rudimentär waren. »Es kann gut sein, dass er stirbt, Jamie, selbst wenn ich das Bein richten kann. Meinst du nicht, dass wir ihn vielleicht schlachten sollten? Als Fleisch wäre er sehr viel einfacher zu transportieren.«
Jamie streichelte der Ziege sanft den Hals.
»Es wäre eine große Schande, wo er doch so ein tapferer Kerl ist.«
Darüber lachte Mrs. Beardsley, und ein leises, nervöses Kichern wie das eines jungen Mädchens erklang hinter Jamie in der Dunkelheit.
»Sein Name ifft Hiram«, sagte sie. »Er ifft ein guter Junge.«
»Hiram«, wiederholte Jamie und streichelte ihn weiter. »Nun denn, Hiram. Courage, mon brave. Du machst das schon. Was brauchst du, Sassenach?«
Die Entscheidung war offensichtlich gefallen; er war schon im Begriff, sich zu erheben.
»Na gut«, sagte ich und atmete flach. Hirams Moschusdrüsen machten Überstunden. Selbst der harsche Eisengeruch des Blutes verblasste dagegen. Ich strich mir das Haar mit dem Rücken meines Handgelenkes zurück. »Such mir ein paar gerade Stöcke, etwa dreißig Zentimeter lang, keine Queräste, und ein Stück Seil aus den Satteltaschen. Dann kannst du mir hier helfen«, fügte ich hinzu, während ich versuchte, meinen widerspenstigen Patienten fest in den Griff zu bekommen. »Hiram scheint dich zu mögen. Bestimmt erkennt er in dir einen Gleichgesinnten.«
Jamie lachte, ein leises, beruhigendes Geräusch an meiner Seite. Er kratzte Hiram ein letztes Mal die Ohren, stand auf, ging raschelnd davon und kehrte innerhalb weniger Minuten mit den benötigten Gegenständen zurück.
»Gut«, sagte ich und löste eine Hand von Hirams Hals, um nach den Stöcken zu tasten. »Ich werde es schienen. Wir werden ihn tragen müssen, aber die Schiene wird ihn daran hindern, das Bein zu beugen und noch mehr Schaden anzurichten. Hilf mir, ihn auf die Seite zu legen.« Ob aus Männerstolz oder Bockigkeit -vorausgesetzt, dass es dazwischen einen Unterschied gabversuchte Hiram trotz seines gebrochenen Beins immer wieder aufzustehen. Doch sein Kopf wackelte alarmierend, da seine Halsmuskeln allmählich schwächer wurden, und sein Körper schlingerte von rechts nach links. Er scharrte schwach auf dem Boden, dann hielt er heftig keuchend inne.
Mrs. Beardsley stand über mir, das Zicklein nach wie vor fest auf dem Arm. Es gab ein leises Blöken von sich, als sei es plötzlich aus einem Alptraum erwacht, und Hiram antwortete ihm mit einem laut widerhallenden »Mähh!«.
»Keine schlechte Idee«, murmelte Jamie. Er stand unvermittelt auf und nahm Mrs. Beardsley das Zicklein ab. Dann kniete er sich wieder hin und schob das kleine Tier dicht an Hirams Seite. Der Ziegenbock hörte sofort auf, sich zu wehren, und verdrehte den Kopf, um seinen Nachwuchs zu beschnüffeln. Das Zicklein jammerte auf und drückte seine Nase an die Seite der großen Ziege, und eine lange, schleimige Zunge schlängelte sich heraus und beschlabberte meine Hand, während sie den Kopf des Zickleins suchte.
»Beeil dich, Sassenach«, riet Jamie mir.
Er brauchte mich gar nicht anzutreiben, und innerhalb weniger Minuten hatte ich das Bein stabilisiert und die Schienen mit einem der zahlreichen Schultertücher abgepolstert, die Mrs. Beardsleys Garderobe darzustellen schienen. Hiram hatte sich beruhigt. Er gab nur noch gelegentliche Grunz-oder Blöklaute von sich, doch das Zicklein meckerte immer noch laut.
»Wo ist denn seine Mutter?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort gar nicht zu hören brauchte. Ich wusste nicht besonders viel
Weitere Kostenlose Bücher