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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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was ihr auf der Zunge lag. Nach dem Tod ihres Mannes machte sie einen vollkommen passiven Eindruck, ihrer früheren Triebkraft ganz und gar beraubt.
    »Oh«, sagte ich und begriff etwas verspätet. »Claire. Bitte nennt mich Claire.«
    »Claire - wie schön.«
    »Nun, zumindest kommt kein >s< darin vor«, sagte ich, ohne zu überlegen. »Oh - ich bitte vielmals um Verzeihung.«
    Sie tat es mit einem leisen »Pff«-Laut ab. Durch die Dunkelheit und den Hauch von Intimität ermutigt, der durch den Austausch unserer Vornamen aufgekommen war - vielleicht auch einfach nur aus dem Bedürfnis heraus, nach so langer Zeit endlich zu reden, erzählte sie mir von ihrer Mutter, die gestorben war, als sie zwölf war, ihrem Vater, einem Krabbenfischer, und ihrem Leben in Baltimore, wo sie bei Ebbe hinausgewatet war, um Austern zu harken und Muscheln zu sammeln und den Fischerbooten und Kriegsschiffen zuzusehen, die von Fort Howard hereinkamen, um den Patapsco hinaufzusegeln.
    »Es war... friedvoll«, sagte sie voller Sehnsucht. »Es war so offen - nichts als Himmel und Waffer.« Sie legte erneut den Kopf zurück, als sehnte sie sich nach dem kleinen Stückchen Nachthimmel, das durch das Geflecht der Äste
über uns zu sehen war. Für einen Highlander wie Jamie mochten die bewaldeten Höhen North Carolinas Zuflucht und Umarmung sein, doch auf einen Menschen, der an die Gewässer von Chesapeake gewöhnt war, konnten sie gut einen klaustrophobischen und feindseligen Eindruck machen.
    »Meint Ihr, Ihr werdet dorthin zurückgehen?«, fragte ich.
    »Zurück?« Sie klang ein wenig verblüfft. »Oh. Daran... daran habe ich noch gar nicht gedacht...«
    »Nicht?« Ich suchte mir einen Baumstamm als Rückenlehne und reckte mich ein wenig, um meinen Rücken zu entspannen. »Ihr müsst doch gesehen haben, dass Euer... dass Mr. Beardsley im Sterben lag. Hattet Ihr denn gar keinen Plan?« Abgesehen davon, ihn spaßeshalber zu Tode zu foltern, natürlich. Mir kam der Gedanke, dass ich viel zu viel Vertrauen zu dieser Frau gefasst hatte, mit der ich im Dunklen mit den Ziegen allein war. Möglich, dass sie wirklich Beardsleys Opfer gewesen war - möglich aber auch, dass sie das jetzt nur sagte, um sich unserer Hilfe zu versichern. Besser, wenn ich Beardsleys verbrannte Zehen und den widerwärtigen Zustand des Dachbodens nicht vergaß. Ich setzte mich ein wenig gerader hin und tastete nach dem kleinen Messer, das ich am Gürtel trug - nur für alle Fälle.
    »Nein.« Sie klang ein wenig benommen - was ja vermutlich auch kein Wunder war. Auch mir war mehr als nur ein wenig benommen zumute, emotional ausgelaugt und erschöpft, wie ich war. So sehr, dass ich beinahe überhört hätte, was sie als Nächstes sagte.
    »Was habt Ihr gesagt?«
    »Ich sagte... Mary Ann hat mir nicht gesagt, was ich tun sollte... danach.«
    »Mary-Ann«, sagte ich vorsichtig. »Ja, und das ist... die erste Mrs. Beardsley, ja?«
    Sie lachte, und meine Nackenhaare sträubten sich unangenehm.
    »O nein. Mary-Ann war die vierte.«
    »Die... vierte«, sagte ich schwach.
    »Sie ifft es, die unter der Esche begraben ifft«, teilte sie mir mit. »Das war ein Fehler. Die anderen sind im Wald. Er ifft träge geworden, nehme ich an; er wollte nicht so weit laufen.«
    »Oh«, sagte ich, denn eine bessere Antwort fiel mir nicht ein.
    »Ich habe es Euch doch gesagt - sie ffteht unter der Esche, wenn der Mond aufgeht. Als ich sie das erffte Mal dort gesehen habe, dachte ich, sie wäre lebendig. Ich hatte Angfft vor dem, was er tun würde, wenn er sie allein dort sah - also habe ich mich aus dem Haus gefftohlen, um sie zu warnen.«
    »Verstehe.« Irgendetwas in meiner Stimme muss alles andere als überzeugt geklungen haben, denn sie wandte mir abrupt den Kopf zu. Ich packte das Messer fester an.
    »Glaubt Ihr mir nicht?«
    »Natürlich glaube ich Euch!«, versicherte ich ihr und versuchte, Hirams
Kopf von meinem Schoß zu schieben. Mein linkes Bein war von seinem Gewicht eingeschlafen, und mein Fuß war gefühllos.
    »Ich kann es Euch zeigen«, sagte sie, und ihre Stimme war ruhig und sicher. »Mary-Ann hat mir gesagt, wo sie sind - die anderen -, und ich habe sie gefunden. Ich kann Euch ihre Gräber zeigen.«
    »Das ist wirklich nicht nötig«, sagte ich und spannte meine Zehen an, um die Blutzirkulation wieder herzustellen. Wenn sie auf mich losging, so beschloss ich, würde ich ihr die Ziege in den Weg schieben, mich zur Seite rollen, mich so schnell wie möglich davonmachen und nach

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