Das Flammende Kreuz
sagte ich leise. »Isaiah Morton ist es nicht wert. Er ist verheiratet - habt Ihr das gewusst?«
Sie riss die Augen weit auf, dann kniff sie sie fast ganz zusammen, und plötzlich schossen die Tränen hervor. Nein, offensichtlich hatte sie es nicht gewusst.
Die Tränen liefen ihr über die Wangen und ergossen sich auf den Kopf des schlafenden Babys. Ich streckte die Hand aus und nahm ihr das eingewickelte Kind sanft ab. Dann schob ich sie mit der freien Hand auf die Kaminbank zu.
»W-woher habt Ihr...? W-wer?« Sie gurgelte und schluchzte und versuchte hektisch, zur selben Zeit Fragen zu stellen und sich unter Kontrolle zu bekommen. Draußen erscholl eine rufende Männerstimme, und sie rieb sich heftig mit dem Ärmel über die Wangen.
Diese Geste erinnerte mich daran, dass mir die Situation zwar in meinem gegenwärtigen, benommenen Geisteszustand melodramatisch - um nicht zu sagen leicht komisch - vorkam, dass sie jedoch für die Hauptbeteiligten eine todernste Sache war. Schließlich hatten ihre männlichen Verwandten versucht, Morton umzubringen, und sie würden es mit Sicherheit wieder versuchen, wenn sie ihn fanden. Ich spannte mich an, weil ich Schritte kommen hörte, und das Baby wand sich leise jammernd in meinen Armen. Doch die Schritte knirschten auf der Straße vorbei, und das Geräusch ging im Wind unter.
Ich setzte mich neben Alicia Brown und seufzte, weil es eine solche Wohltat war, meine Füße zu entlasten. Jeder Muskel und jedes Gelenk meines Körpers schmerzte von den Nachwirkungen des vergangenen Tages und der letzten Nacht, wenn ich auch bis jetzt noch keine Zeit gehabt hatte, großartig darüber nachzudenken. Jamie und ich würden die Nacht mit Sicherheit in Decken gewickelt bei fremden Leuten auf dem Fußboden verbringen; ich beäugte die schmutzigen, vom Feuer beschienenen Bretter mit einem Gefühl, das dem der Lust sehr nahe kam.
Es war geradezu unpassend friedlich in dem großen Raum - draußen fiel flüsternd der Schnee, und auf dem Herd gluckste der Eintopf vor sich hin und erfüllte die Luft mit den verlockenden Düften von Zwiebeln, Wild und Rübchen. Das Baby schlief an meiner Brust und strahlte friedvolles Vertrauen aus. Am liebsten hätte ich einfach nur dagesessen und es fest gehalten, aber die Pflicht rief.
»Woher ich das weiß? Morton hat es einem der Männer in der Truppe meines Mannes erzählt«, sagte ich. »Ich kenne seine Frau allerdings nicht und weiß nur, dass sie in Granite Falls lebt.« Ich tätschelte den kleinen Rücken, und das Baby rülpste sacht und entspannte sich wieder, sein Atem warm unter meinem Ohr. Die Frauen hatten es gewaschen und eingeölt, und jetzt roch es fast wie ein frischer Pfannkuchen. Ich hielt mit einem Auge die Tür im Blick und richtete das andere argwöhnisch auf Alicia Brown, falls sie erneut hysterisch wurde.
Sie schniefte und schluchzte, japste einmal heftig und verfiel dann in Schweigen und starrte zu Boden.
»Ich wünschte, ich wäre tot «, flüsterte sie erneut, und ihr Tonfall war so verzweifelt, dass ich sie erschrocken ansah. Sie saß zusammengesunken da,
das Haar hing ihr schlaff unter der Haube hervor, ihre Hände waren zu Fäusten geballt und schützend vor ihrem Bauch gekreuzt.
»Oh je«, sagte ich. Angesichts ihrer Blässe, der allgemeinen Umstände und ihres Verhaltens dem Baby gegenüber war es nicht sehr schwierig, aus dieser Geste den offensichtlichen Schluss zu ziehen. »Wissen Eure Eltern davon?«
Sie warf mir einen raschen Blick zu, fragte aber gar nicht erst, woher ich es wusste.
»Mama und meine Tante, ja.«
Sie atmete durch den Mund und zog zwischendurch die Nase hoch.
»Ich dachte - ich dachte, Papa müsste mir erlauben, ihn zu heiraten, wenn -«
Ich hatte Erpressung noch nie für eine besonders Erfolg versprechende Basis für eine Ehe gehalten, doch dies schien der falsche Zeitpunkt zu sein, dies auszusprechen.
»Mm«, sagte ich stattdessen. »Und weiß Mr. Morton davon?«
Sie schüttelte untröstlich den Kopf.
»Hat er - hat seine Frau Kinder, wisst Ihr das?«
»Ich habe keine Ahnung.« Ich wandte den Kopf und lauschte. Ich konnte entfernte Männerstimmen hören, die vom Wind herbeigetragen wurden. Sie hörte sie auch; sie packte überraschend kraftvoll meinen Arm, und ihre nassen, braunen Augen sahen mich unter den zusammengeklebten Wimpern flehend an.
»Ich habe gehört, wie Mr. MacKenzie und die Männer sich gestern Abend unterhalten haben. Sie sagen, Ihr seid eine Heilerin, Mrs. Fraser - einer
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