Das Flammende Kreuz
Weise, die zwar ganz und gar nicht unangenehm, aber dennoch ein wenig beunruhigend war.
Alicia Brown hatte keine Gelegenheit mehr gehabt, mit mir zu sprechen, aber ich hatte auch keine Gelegenheit gehabt, mit ihrer Mutter oder ihrer Tante zu sprechen. Das Mädchen hatte sich neben Hirams Pferch niedergelassen und fütterte die Ziege mechanisch mit Maisbrotkrusten, die vom Abendessen übrig waren, ihr Gesicht eine einzige Elendsmiene.
Roger sang auf allgemeines Bitten mit leiser, klarer Stimme französische Balladen. Das Gesicht einer jungen Frau kam in mein Blickfeld, die Augenbrauen fragend hochgezogen. Sie sagte etwas, das im Gewirr der Stimmen unterging, dann streckte sie sanft die Arme aus, um mir das Baby abzunehmen.
Natürlich, Jemima, so hieß sie. Die junge Mutter, die sich bereit erklärt hatte, das Kind zu stillen. Ich stand auf, um ihr auf der Bank Platz zu machen, und sie legte das Baby unverzüglich an.
Ich lehnte mich an den Kaminvorsprung und beobachtete verschwommen und beifällig, wie sie den Kopf des Kindes umfasste und es murmelnd an die richtige Stelle führte. Sie war zärtlich und sachlich zugleich, eine gute Kombination. Ihr eigenes Baby - der kleine Christopher, so hieß er - schnarchte friedlich in den Armen seiner Großmutter, während sich die alte Dame bückte, um ihre Tonpfeife am Feuer anzuzünden.
Ich blickte zurück zu Jemima und hatte ein ganz merkwürdiges Déjà vu- Gefühl. Ich kniff die Augen zu, versuchte, die flüchtige Vision festzuhalten, und es gelang mir, ein Gefühl überwältigender Nähe einzufangen, von Wärme und völligem Frieden. Einen Augenblick lang dachte ich, es sei das Gefühl beim Stillen eines Kindes, doch dann - noch seltsamer - begriff ich, dass ich nicht das Gefühl der Mutter spürte... sondern das des Kindes. Ich erinnerte mich deutlich daran - wenn es denn eine Erinnerung war -, an einen warmen Körper gehalten zu werden, gedankenlos und vollkommen in der sicheren Überzeugung absoluter Liebe.
Ich schloss die Augen und hielt mich am Kaminvorsprung fest, weil ich spürte, wie das Zimmer sich langsam und träge um mich zu drehen begann.
»Beauchamp«, murmelte ich, »du bist völlig betrunken.«
Wenn es so war, dann war ich nicht die Einzige. Erleichtert über die Nachricht von der Entlassung der Miliz und erfreut über die Aussicht auf sofortige Heimkehr hatten die Männer sich den Großteil alles Trinkbaren in Brownsville einverleibt und arbeiteten sich nun gewissenhaft durch die Überreste.
Doch jetzt löste sich die Feier langsam auf. Einige Männer stolperten zu ihren kalten Betten in den Scheunen und Schuppen davon, während sich andere dankbar am Feuer in ihre Decken rollten.
Als ich die Augen öffnete, sah ich, wie Jamie den Kopf zurücklegte und
herzhaft gähnte, die Kiefer aufgerissen wie ein Pavian. Er blinzelte und stand auf, schüttelte die betäubende Wirkung von Essen und Bier ab, dann blickte er zum Kamin und sah mich dort stehen. Er war eindeutig genauso müde wie ich, wenn auch nicht ganz so beschwipst, doch er strahlte eine tiefe Zufriedenheit aus, die sich in der lockeren Art zeigte, mit der er seine langen Glieder reckte und wieder entspannte.
»Ich gehe nach den Pferden sehen«, sagte er zu mir, seine Stimme heiser von der Grippe und vom vielen Reden. »Lust auf einen Spaziergang im Mondschein, Sassenach?«
Der Schneefall hatte aufgehört, und der Mond schien tatsächlich - durch einen dünner werdenden Wolkenschleier hindurch. Die Luft war so kalt, dass sie mir die Lungen kühlte, immer noch frisch und unruhig von den Resten des abziehenden Sturmes, und sie half mir sehr dabei, meinen Schwindel zu vertreiben.
Es bereitete mir ein kindisches Entzücken, die Erste zu sein, die ihre Spuren in dem jungfräulichen Schnee hinterließ, und ich trat fest und sorgfältig auf, um ordentliche Fußabdrücke zu erzeugen. Dann drehte ich mich um und bewunderte sie. Die Abdrücke war nicht sehr geradlinig, aber zum Glück stellte gerade niemand meine Nüchternheit in Frage.
»Kannst du das Alphabet rückwärts aufsagen?«, fragte ich Jamie, dessen Spuren kameradschaftlich neben den meinen herschwankten.
»Ich denke schon«, erwiderte er. »Welches denn? Englisch, Griechisch oder Hebräisch?«
»Auch egal.« Ich klammerte mich fester an seinen Arm. »Wenn du sie alle drei vorwärts kannst, bist du in einem besseren Zustand als ich.«
Er lachte leise, dann hustete er.
»Du bist doch niemals betrunken, Sassenach. Nicht nach drei
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