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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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einen Zahnfleischabszess öffnen zu lassen, und der kleine Junge hatte ihr an den Rockschößen gehangen. Er hatte die charakteristische »Sattelnase« mit dem eingedrückten Nasenrücken sowie derart missgebildete Kiefer, dass mich sein unterernährter Zustand nicht überraschte; er konnte kaum kauen. Ich konnte nicht sagen, inwiefern seine offensichtliche Zurückgebliebenheit auf einen Gehirnschaden zurückzuführen war und inwiefern auf Taubheit; es schien beides vorzuliegen, aber ich hatte es nicht weiter überprüft - schließlich hätte ich in beiden Fällen nicht das Geringste tun können. Ich hatte die Mutter angewiesen, ihm Brühe zu trinken zu geben, um der Fehlernährung abzuhelfen, doch sonst konnte ich nicht viel für das arme Kerlchen tun.
    »Ich bekomme es hier nicht so oft zu sehen wie in Paris oder Edinburgh, wo es viele Prostituierte gibt«, sagte ich zu Brianna und warf den Ball aus Verbandsmaterial in den Leinenbeutel, den sie mir aufhielt. »Dann und wann aber schon. Warum? Du glaubst doch nicht, dass Roger Syphilis hat, oder?«
    »Ganz bestimmt nicht!«, sagte sie. »Mutter!«
    »Na ja, das habe ich mir auch gedacht«, sagte ich beschwichtigend. »Aber es kommt in den besten Familien vor - und du hast danach gefragt.«
    Sie prustete heftig.
    »Ich habe nach Verhütungsmitteln gefragt«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Zumindest hatte ich das vor, bevor du mir einen Vortrag über die Entstehung und Verbreitung von Geschlechtskrankheiten gehalten hast.«
    »Ach so.« Ich betrachtete sie nachdenklich und bemerkte die getrockneten Milchflecken auf ihrem Leibchen. »Na ja, Stillen funktioniert einigermaßen. Nicht hundertprozentig, beileibe nicht, aber eben einigermaßen. Nach den ersten sechs Monaten lässt es nach -« Jemmy war jetzt sechs Monate alt. »Aber es funktioniert immer noch.«
    »Mmpfm«, sagte sie und klang Jamie dabei dermaßen ähnlich, dass ich mir auf die Unterlippe beißen musste, um nicht loszulachen. »Und was gibt es sonst noch?«
    Ich hatte mich noch nie ernsthaft mit ihr über Verhütung - im achtzehnten Jahrhundert - unterhalten. Bei ihrer Ankunft in Fraser’s Ridge war es mir nicht notwendig erschienen, und dann war es ja tatsächlich nicht mehr notwendig
gewesen, da sie schon schwanger war. Also fand sie es jetzt notwendig?
    Ich runzelte die Stirn und füllte langsam meine Tasche mit Arzneimitteln.
    »Das häufigste Mittel ist eine Art Barriere. Ein Stück Seide oder ein Schwämmchen, das du in Flüssigkeit tränkst - alles von Essig bis Brandy, obwohl Gänsefingerkrautessenz oder Zedernöl am besten wirken sollen. Ich habe davon gehört, dass die Frauen auf den Westindischen Inseln eine halbe Zitrone benutzen, aber diese Möglichkeit besteht hier ja wohl nicht.«
    Sie lachte kurz auf.
    »Nein, da hast du Recht. Ich glaube aber auch nicht, dass das Gänsefingerkraut besonders gut funktioniert - das hat Marsali benutzt, als sie mit Joan schwanger geworden ist.«
    »Oh, hat sie das? Ich dachte, sie hat sich möglicherweise einmal die Mühe gespart - und einmal reicht schließlich schon.«
    Ich spürte ihr Erstarren mehr, als dass ich es sah, und biss mir erneut auf die Lippe, diesmal aus Bestürzung. Einmal hatte gereicht - nur wussten wir nicht, welches eine Mal. Doch sie zog die Schultern hoch und ließ sie wieder sinken, um die Erinnerungen zu verdrängen, die meine gedankenlose Bemerkung geweckt hatte.
    »Sie sagt, sie hat es benutzt - es aber vielleicht vergessen. Es wirkt aber nicht immer, oder?«
    Ich schlang mir die Tasche mit den sterilisierten Bandagen und getrockneten Kräutern über die Schulter und ergriff die Medizintruhe an dem Lederriemen, den Jamie daran befestigt hatte.
    »Das Einzige, was immer wirkt, ist Abstinenz«, sagte ich. »Ich nehme aber an, das ist im vorliegenden Fall keine zufrieden stellende Lösung, oder?«
    Sie schüttelte den Kopf, den Blick nachdenklich auf eine Gruppe junger Männer gerichtet, die jenseits der Bäume reihum Steine über den Bach warfen.
    »Das hatte ich befürchtet«, sagte sie und bückte sich, um den Klapptisch und zwei Hocker aufzuheben.
    Ich sah mich auf der Lichtung um und überlegte. Sonst noch etwas? Das unbeaufsichtigte Lagerfeuer war kein Problem, ganz gleich, ob Lizzie einschlief; bei diesem Wetter würde auf dem Berg nichts brennen. Selbst das Zündmaterial und das Brennholz, das wir Tags zuvor in unserem Unterschlupf gelagert hatten, war feucht. Irgendetwas fehlte aber noch, was...? Oh, ja. Ich

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