Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
zurück.
    Glücklicherweise wählte Brianna just diesen Zeitpunkt für ihre Rückkehr, sans Jemmy. Sie und Roger hatten gemeinsam mit Jocasta gefrühstückt, versicherte sie mir. Jemmy war in Jocastas Armen eingeschlafen, und da beide Seiten mit diesem Arrangement zufrieden schienen, hatte sie ihn dort gelassen und war zurückgekehrt, um mir bei der Morgensprechstunde zu helfen.
    »Bist du auch sicher, dass du mir heute Morgen helfen möchtest?« Ich warf Brianna einen skeptischen Blick zu. »Es ist schließlich dein Hochzeitstag. Bestimmt könnten Lizzie oder vielleicht Mrs. Martin -«
    »Nein, ich mach’s«, versicherte sie mir und wischte mit einem Tuch über den Sitz des großen Hockers, den ich für meine morgendlichen Operationen benutzte. »Lizzie geht’s zwar besser, aber ich glaube nicht, dass sie verwesenden Füßen und verdorbenen Mägen gewachsen ist.« Sie erschauerte leicht und schloss die Augen bei der Erinnerung an den älteren Herrn, dessen vereiterte Ferse ich tags zuvor einem debridement unterzogen hatte. Vor Schmerzen hatte er sich ausgiebig auf seine zerlumpte Kniehose übergeben, was wiederum ansteckend auf mehrere der Patienten, die auf meine Zuwendung
warteten, gewirkt hatte, die sich daraufhin aus einem mitfühlenden Reflex heraus ebenfalls übergaben.
    Auch mir wurde bei dieser Erinnerung ein wenig mulmig, doch ich schluckte sie mit einem letzten Rest bitteren Kaffees herunter.
    »Nein, da hast du wohl Recht«, pflichtete ich ihr zögernd bei. »Aber dein Kleid ist doch noch nicht ganz fertig, oder? Vielleicht solltest du -«
    »Alles in Ordnung«, versicherte sie mir. »Phaedre säumt das Kleid gerade, und Ulysses kommandiert die Dienstboten herum wie ein Oberfeldwebel. Ich wäre nur im Weg.«
    Ich gab ohne weitere Einwände nach, obwohl ich mich ein wenig über ihren Eifer wunderte. Brianna war zwar nicht zimperlich, wenn es um alltägliche Notwendigkeiten wie das Abhäuten von Tieren oder das Ausnehmen von Fischen ging, doch ich wusste, dass der Umgang mit Menschen mit entstellenden Leiden oder sichtbaren Krankheiten ihr zusetzte, auch wenn sie ihr Bestes tat, es zu verbergen. Es war kein Abscheu, dachte ich, sondern vielmehr lähmendes Mitgefühl.
    Ich ergriff den Kessel und goss frisch abgekochtes Wasser in ein großes, halb volles Glas mit destilliertem Alkohol. Eine heiße Wolke aus Alkoholdampf stieg auf, und ich kniff die Augen zusammen.
    Es war schwierig, so viele Menschen zu sehen, deren Leiden man im Zeitalter von Antisepsis, Antibiotika und Anästhesie leicht hätte behandeln können, doch ich hatte gelernt, den Abstand zu wahren - in den Feldlazaretten einer Zeit, in der diese medizinischen Innovationen nicht nur ganz neu, sondern auch selten gewesen waren -, und ich kannte die Notwendigkeit und den Wert dieses Abstandes.
    Ich konnte niemandem helfen, wenn meine Gefühle mir im Weg standen. Und ich musste helfen. So einfach war das. Doch Brianna verfügte über kein solches Wissen, das ihr als Schutzschild hätte dienen können. Noch nicht.
    Sie hatte die Hocker, Kisten und die restlichen Utensilien für die Sprechstunde fertig abgewischt und richtete sich auf, die Stirn leicht gekräuselt.
    »Erinnerst du dich an die Frau, die du gestern behandelt hast? Die mit dem behinderten, kleinen Jungen?«
    »So etwas vergisst man nicht so schnell«, sagte ich so beiläufig wie möglich. »Wieso? Hier, kannst du dich darum kümmern?« Ich wies auf meinen Klapptisch, der sich standhaft weigerte, sich vernünftig zusammenzufalten, da seine Scharniere von der Feuchtigkeit aufgequollen waren.
    Brianna studierte ihn stirnrunzelnd und versetzte dann dem widerspenstigen Scharnier einen scharfen Hieb mit der Handkante. Es beugte sich der höheren Gewalt und klappte auf der Stelle zusammen.
    »Bitte sehr.« Sie rieb sich geistesabwesend die Handkante, die Stirn nach wie vor in Falten gelegt. »Du hast ihr sehr eindringlich nahe gelegt, dass sie keine Kinder mehr bekommen soll. Der kleine Junge - dann war es also eine Erbkrankheit?«

    »So kann man es auch ausdrücken«, erwiderte ich trocken. »Angeborene Syphilis.«
    Sie blickte auf und erbleichte.
    »Syphilis? Bist du sicher?«
    Ich nickte, während ich ein Stück ausgekochtes Leinen zum Verbinden zusammenrollte. Es war immer noch sehr feucht, aber das ließ sich nicht ändern.
    »Bei der Mutter waren keine Anzeichen des Spätstadiums zu sehen - noch nicht -, aber bei einem Kind ist es unverkennbar.«
    Die Mutter war nur gekommen, um sich

Weitere Kostenlose Bücher