Das Flammende Kreuz
seinem Wein, kostete das seltene Vergnügen aus, einen anständigen Tropfen zu trinken, und beobachtete sie dabei heimlich. Sie bildete das Zentrum einer Traube von Herren, mit denen sie gerade ein lustvolles Wortgefecht zu führen schien. Ein oder zwei Gläser lösten ihr - wie auch ihm - die Zunge und machten ihren Verstand geschmeidig. Noch ein
paar Gläser, und ihr Leuchten würde sich in Glut verwandeln. Es war noch früh, und das eigentliche Fest hatte kaum begonnen.
Er fing einen kurzen Blick von ihr auf und lächelte. Er fasste sein Glas am Kelch an, und seine Finger schmiegten sich um das glatte Glas. Sein Daumen bewegte sich langsam darüber, so als wäre es ihre Brust. Sie sah es und verstand. Sie blinzelte ihn mit kokett gesenkten Wimpern an und wandte sich mit noch röterem Gesicht wieder ihrer Unterhaltung zu.
Mit ihr zu schlafen, wenn sie etwas getrunken hatte, war wunderbar paradox: Während sie ihn einerseits nur noch als Mittel zum Zweck ihrer eigenen Empfindungen wahrnahm, vergaß sie andererseits aber auch jeden Selbstschutz und lag damit vollständig vor ihm bloß. Er konnte sie aufreizen und liebkosen oder sie weich kneten wie Butter, sie zur Ekstase bringen, bis sie keuchend und schlaff unter ihm lag, auf sein Erbarmen angewiesen.
Sie setzte ihren Fächer ausgesprochen wirkungsvoll ein, blickte mit weit geöffneten Augen über seine Kante hinweg und täuschte Schockiertheit über irgendetwas vor, das dieser Sodomit Forbes gesagt hatte. Er fuhr sich nachdenklich mit der Zunge über die empfindliche Kante seiner Unterlippe und schmeckte in der Erinnerung silbern-süßes Blut. Erbarmen? Nein, das würde er nicht haben.
Als er diesen Entschluss gefällt hatte, wandte er seine Gedanken dem praktischeren Problem zu, eine Stelle zu finden, die hinreichend abgeschieden für die Durchführung dieses packenden Plans war, wurde jedoch unterbrochen, als Milford Lyon zu ihm trat, ein Mann, der einen aalglatten und überheblichen Eindruck machte. Er war dem Herrn vorgestellt worden, wusste jedoch nicht viel von ihm.
»Mr. Fraser. Habt Ihr einen Augenblick Zeit, Sir?«
»Stets zu Diensten, Sir.«
Er wandte sich kurz ab, um sein Glas abzustellen, und eine kleine Gewichtsverlagerung reichte aus, um sein Plaid diskret zurechtzurücken. Er war froh, dass er keine enge Satinhose trug wie Wylie, dieser Geck. Er fand diese Hosen unanständig, und furchtbar unbequem dazu. Gott, man lief damit ja Gefahr, in Damengesellschaft allmählich entmannt zu werden, wenn man nicht von Natur aus Eunuch war - und das war Wylie eindeutig nicht, dachte er grimmig, trotz seines Puders und seiner Pflästerchen. Doch ein gegürtetes Plaid konnte eine ganze Reihe von Sünden verbergen - oder zumindest einen Dolch und eine Pistole, ganz zu schweigen von einem zufälligen Ständer.
»Wollen wir ein Stückchen laufen, Mr. Lyon?«, schlug er vor und drehte sich wieder um. Wenn das Anliegen des Mannes so persönlich war, wie sein Verhalten es nahe legte, blieben sie besser nicht hier stehen, wo sie jede Sekunde von anderen Hochzeitsgästen unterbrochen werden konnten.
Sie schlenderten langsam zum Ende der Terrasse, wechselten dabei Allgemeinplätze und tauschten Höflichkeiten mit Passanten aus, bis sie schließlich allein auf dem Vorplatz standen, wo sie kurz zögerten.
»Vielleicht das Paddock?« Ohne Lyons zustimmendes Nicken abzuwarten, wandte sich Jamie in Richtung der Stallungen. Er wollte sowieso noch einen Blick auf die Friesen werfen.
»Ich habe schon viel von Euch gehört, Mr. Fraser«, begann Lyon freundlich, während sie auf den großen Uhrenturm des Stallblockes zuschlenderten.
»Habt Ihr das, Sir? Nun, dann hoffe ich doch, dass das meiste davon nichts Nachteiliges war.« Er hatte auch schon von Lyon gehört; er handelte mit allem, was käuflich oder verkäuflich war - und hatte möglicherweise keine allzu großen Skrupel, was die Herkunft seiner Waren anging. Man sagte, dass er gelegentlich auch mit Dingen handelte, die sich nicht anfassen ließen wie Papier oder Eisen - doch das war nur ein Gerücht.
Lyon lachte und zeigte dabei seine einigermaßen ebenmäßigen, vom Tabak jedoch stark fleckigen Zähne.
»Allerdings nicht, Mr. Fraser. Abgesehen von Euren nachteiligen Familienbanden - die man Euch wohl kaum zum Vorwurf machen kann, wenn die Leute auch voreilige Schlüsse daraus ziehen werden -, habe ich nichts als glühende Komplimente gehört, sowohl, was Euren Charakter als auch Eure Leistungen angeht.«
A
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