Das Flammende Kreuz
zu können.
Ich konnte die Magd atmen hören, tief und angestrengt, aber ganz regelmäßig. Es juckte mich, ihr den Puls zu fühlen. Ich holte so unauffällig wie möglich tief Luft. Abgesehen von dem durchdringenden Geruch, der aus Dr. Fentimans Perücke aufstieg - offensichtlich war sie mit Nesselpulver und Ysop gegen Läuse behandelt worden -, und einem kräftigen Nebel aus altem Schweiß und Tabak, der den Körper des Arztes umwehte, fing ich den scharfen Kupfergeruch frischen Blutes und den älteren Gestank verfaulten Blutes aus seinem Koffer auf. Nein, Fentiman reinigte seine Klingen nicht.
Darüber hinaus konnte ich problemlos den Alkoholschwaden - vermischt mit Dung - riechen, den Jamie beschrieben hatte, aber ich konnte nicht sagen, wie viel davon von Betty kam und wie viel von Fentiman. Wenn es in dieser Mischung eine Spur von Laudanum gab, würde ich dichter an die Sklavin herantreten müssen, um sie zu entdecken, und zwar schnell, bevor sich die aromatischen Öle vollständig verflüchtigen konnten.
»Wie ausgesprochen freundlich von Euch, Doktor«, sagte ich mit einem unaufrichtigen Lächeln. »Ich bin mir sicher, dass die Tante meines Mannes Euch höchst dankbar für Eure Bemühungen ist. Aber ein Gentleman wie Ihr hat doch sicher - ich meine, es muss doch Dinge geben, die Eure Aufmerksamkeit dringender erfordern. Ulysses und ich können uns um die Pflege der Frau kümmern; Eure Begleiter vermissen Euch doch bestimmt schon.« Vor allem die, die es gar nicht abwarten können, Euch beim Kartenspiel ein paar Pfund abzuluchsen. Sie harren auf ihre Chance, bevor Ihr wieder nüchtern seid!
Zu meiner großen Überraschung ging Fentiman diesen schmeichelhaften Worten nicht auf den Leim. Er ließ meine Hand los und lächelte mich mit einer Unaufrichtigkeit an, die der meinen in nichts nachstand.
»Oh, nein, ganz und gar nicht, meine Liebe. Ich versichere Euch, hier bedarf es keiner Pflege. Es ist schließlich nicht mehr als ein einfacher Fall von übertriebenem Alkoholgenuss. Ich habe ihr ein starkes Emetikum verabreicht; sobald es gewirkt hat, kann man die Frau getrost sich selbst überlassen. Widmet Euch wieder Eurem Vergnügen, werte Dame; es ist nicht nötig, dass Ihr das Risiko eingeht, so ein hübsches Kleid zu verderben, ganz und gar nicht nötig.«
Bevor ich einen Einwand erheben konnte, kam ein heftiges Würgegeräusch aus dem Bett, und Doktor Fentiman drehte sich augenblicklich um und schnappte sich den Nachttopf unter dem Bett.
Trotz seiner Benommenheit widmete er der Patientin lobenswerte Aufmerksamkeit. Ich selbst hätte zwar Hemmungen gehabt, einer komatösen Patientin ein Brechmittel zu verabreichen, doch ich musste zugeben, dass es bei Verdacht auf Vergiftung nicht unvernünftig war, selbst wenn es sich bei dem Gift um ein so allgemein verbreitetes Mittel wie Alkohol handelte - und falls Dr. Fentiman dieselbe Entdeckung gemacht hatte wie Jamie...
Die Sklavin hatte reichlich gegessen; kein Wunder angesichts des leicht zugänglichen
Festessens. Möglich, dass ihr dies allein das Leben gerettet hatte, dachte ich, weil es die Resorption des Alkohols - und anderer Stoffe - in den Blutstrom verlangsamte. Das Erbrochene roch nach einer Mischung aus Rum und Brandy, aber ich glaubte, auch einen Hauch von Opium zu riechen, schwach und widerlich süß unter den anderen Gerüchen.
»Was für ein Brechmittel habt Ihr denn benutzt?«, fragte ich über die Frau gebeugt und öffnete ihr mit dem Daumen ein Auge. Die Iris starrte mir braun und glasig wie eine Glasmurmel entgegen, und die Pupille war auf Stecknadelkopfgröße geschrumpft.
»Mrs. Fraser!« Dr. Fentiman funkelte mich aufgebracht an, und die Perücke war ihm halb über das Ohr gerutscht. »Bitte entfernt Euch und hört auf, Euch einzumischen! Ich bin sehr beschäftigt und habe keine Zeit für Eure Grillen. Ihr, Sir - entfernt sie!« Er winkte Ulysses, schob sich die Perücke zurecht und wandte sich wieder dem Bett zu.
»Oh, Ihr kleiner -« Ich würgte die Beschimpfung ab, die mir auf der Zunge lag, da ich sah, wie Ulysses unsicher einen Schritt auf mich zutrat. Es war klar, dass er zögerte, Hand an mich zu legen, doch es war genauso klar, dass er den Anordnungen des Doktors den Vorrang vor den meinen geben würde.
Zitternd vor Wut fuhr ich herum und verließ das Zimmer.
Jamie wartete am Fuß der Treppe auf mich. Als er das Gesicht sah, das ich beim Herunterkommen machte, ergriff er sofort meinen Arm und führte mich auf den Hof
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