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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Abneigung, den es stets trug, wenn er Wylie ansah. Er atmete tief durch und nickte kaum merklich.
    »Aye, ich verstehe«, sagte er leise. »Und dann?«
    Wylie richtete sich etwas mehr auf.
    »Als ich aus dem Stall kam, hatte ich das Gefühl, an der Mauer des Gemüsegartens Stimmen zu hören. Und als ich näher trat, um zu sehen, was dort vorging, habe ich durch die Ritzen des Schuppens Licht gesehen.« Er zuckte mit den Achseln. »Ich habe die Tür geöffnet. Und was dann geschehen ist, wisst Ihr besser als ich, Mr. Fräser.«
    Jamie rieb sich mit der Hand durch das Gesicht und schüttelte dann den Kopf.
    »Aye«, sagte er. »Das weiß ich. Ich habe mich auf Bonnet gestürzt, und Ihr seid mir in die Quere gekommen.«
    »Ihr habt mich angegriffen«, sagte Wylie kalt. Er zog sich seinen ruinierten Rock höher über die Schultern. »Ich habe mich verteidigt, und das war mein gutes Recht. Und dann habt Ihr mich mit Eurem Schwiegersohn ergriffen, mich hier hineingeschoben -«, er wies mit einem Ruck seines Kinns auf die Box in seinem Rücken, »und mich die halbe Nacht festgehalten!«
    Roger räusperte sich. Jamie machte es ihm nach, allerdings noch mürrischer.
    »Aye, nun gut«, sagte er. »Dem kann ich nicht widersprechen.« Er seufzte, trat einen Schritt zurück und bedeutete Wylie, dass er gehen könne. »Ihr habt wohl nicht gesehen, in welche Richtung Bonnet geflüchtet ist?«
    »Oh, doch. Obwohl ich natürlich seinen Namen nicht kannte. Ich gehe davon aus, dass er inzwischen längst über alle Berge ist«, sagte Wylie. Seine Stimme hatte einen seltsamen Unterton, der fast wie Genugtuung klang. Jamie fuhr scharf herum.
    »Wie meint Ihr das?«
    »Lucas.« Wylie wies kopfnickend auf die Dunkelheit am anderen Ende der dämmerigen Stallgasse. »Seine Box ist am anderen Ende. Ich kenne seine
Stimme genau; ich weiß, wie sich seine Bewegungen anhören. Und ich habe ihn heute Morgen noch nicht gehört. Bonnet - wenn er es denn gewesen ist - ist zum Stall geflüchtet.«
    Noch ehe er zu Ende geredet hatte, hatte Jamie die Laterne ergriffen und schritt durch den Stall. Überall schoben sich neugierige Pferdenasen über die Boxentüren, als er vorübereilte, und die Tiere schnaubten und kollerten neugierig - doch es erschien keine schwarze Nase am Ende der Stallgasse, keine schwarze Mähne schüttelte sich zur freudigen Begrüßung. Wir anderen hasteten ihm nach und beugten uns vor, um an ihm vorbeizusehen, als er die Laterne hochhielt.
    Das gelbe Licht fiel auf nichts als Stroh.
    Wir betrachteten es einige Sekunden lang schweigend. Dann richtete Philip Wylie sich seufzend auf.
    »Mag sein, dass ich ihn nicht länger besitze, Mr. Fraser - aber Ihr auch nicht.« Dann fiel sein Blick voll finsterer Ironie auf mich. »Aber ich wünsche Euch Freude an Eurer Frau.«
    Er machte kehrt und ging mit hängenden Strümpfen davon, und die roten Absätze seiner Schuhe leuchteten im zunehmenden Licht.
     
    Draußen brach still und lieblich der Tag an. Nur der Fluss schien sich zu bewegen, und hinter den Bäumen blitzte das heller werdende Licht silbern auf der Strömung auf.
    Roger war gähnend zum Haus davongegangen, doch Jamie und ich waren bei den Paddocks geblieben. In den nächsten Minuten würden sich die Leute regen; es würde noch mehr Fragen und Spekulationen, noch mehr Gerede geben. Und nach noch mehr Gerede stand im Augenblick keinem von uns der Sinn.
    Schließlich legte mir Jamie den Arm um die Schultern und wandte sich entschlossen vom Haus ab. Ich wusste nicht, wohin er unterwegs war, und es kümmerte mich auch nicht besonders - aber ich hoffte, dass ich mich hinlegen konnte, wenn wir am Ziel waren.
    Wir kamen an der Schmiede vorbei, wo ein kleiner, schläfrig aussehender Junge mit einem Blasebalg den Ofen anheizte, so dass rote Funken wie Glühwürmchen durch die Dämmerung schwebten. Vorbei an weiteren Nebengebäuden, um eine Ecke herum, und dann standen wir vor einem unscheinbaren Schuppen mit einem großen Flügeltor. Jamie hob den Riegel, schob die eine Türhälfte ein Stückchen auf und winkte mich hinein.
    »Ich weiß gar nicht, warum mir das nicht gleich eingefallen ist«, sagte er, »als ich mich nach einem ungestörten Plätzchen umgesehen habe.«
    Wir befanden uns in der Remise. Ein Planwagen und ein kleiner Einspänner standen dort neben Jocastas Zweispänner im Dunkel. Letzterer war eine offene Kutsche, die an einen großen Schlitten auf zwei Rädern erinnerte, eine Sitzbank mit blauen Samtkissen hatte und deren

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