Das Flammende Kreuz
geschäftsmäßiges Lächeln.
»Aye«, sagte Duncan unerwartet. »Einen Meter Samt. Habt Ihr so etwas? Gute Qualität, die Farbe spielt keine Rolle.«
Die Frau zog die Augenbrauen hoch - selbst in seinen besten Kleidern konnte niemand Duncan für einen Dandy halten -, doch sie drehte sich kommentarlos um und begann, in ihrem reduzierten Sortiment zu wühlen.
»Meint Ihr, Mrs. Claire hat noch etwas Lavendel übrig?«, fragte Duncan an Roger gewandt.
»Aye, das kann ich mit Gewissheit sagen«, erwiderte Roger. Sein Erstaunen musste seinem Gesicht abzulesen gewesen sein, denn Duncan lächelte und senkte schüchtern den Kopf.
»Mir ist da ein Gedanke gekommen«, sagte er. »Miss Jo leidet an Migräne und schläft nicht besonders gut. Da ist mir eingefallen, dass meine Mutter ein Lavendelkopfkissen hatte und immer gesagt hat, sie könnte einschlafen wie ein Stein, sobald sie den Kopf darauf legte. Da habe ich mir gedacht, vielleicht ein Stück Samt - damit sie es an ihrer Wange spüren kann, aye? -, und vielleicht könnte Miss Lizzie es für mich nähen...«
In Siechtum und Gesundheit...
Roger nickte zustimmend, gerührt - und ein wenig beschämt - über Duncans Aufmerksamkeit. Er hatte den Eindruck gehabt, dass die Ehe zwischen Duncan und Jocasta Cameron im Prinzip deshalb geschlossen wurde, weil sie praktisch und gut fürs Geschäft war - und vielleicht traf dies ja auch zu. Doch blinde Leidenschaft war schließlich nicht die einzig mögliche Voraussetzung für Zärtlichkeit und Rücksichtnahme, oder?
Nachdem er seinen Handel abgeschlossen hatte, verabschiedete sich Duncan und ging davon, den Samt sicher unter seinem Plaid verstaut. Nun war es an Roger, eine langsame Runde vorbei an den restlichen Händlern zu drehen und dabei im Geiste auszusuchen, abzuwägen und zu verwerfen, während er sich das Gehirn zermarterte, welches dieser tausend Dinge seiner Braut am besten gefallen würde. Ohrringe? Nein, das Kind würde daran ziehen. Das Gleiche galt für eine Halskette - oder auch ein Haarband, dachte er dann.
Dennoch ging ihm der Gedanke an ein Schmuckstück nicht aus dem Sinn. Normalerweise trug sie kaum Schmuck. Doch sie hatte während des ganzen gathering den Rubinring ihres Vaters getragen - den Jamie ihm gegeben hatte und den er an sie weitergegeben hatte, als sie seinen Antrag annahm. Jemmy lutschte dann und wann daran herum, doch er konnte ihm nichts Ernsthaftes anhaben.
Er blieb plötzlich stehen und ließ die Menge ringsum weiter strömen. Vor seinem inneren Auge konnte er das Gold und das Dunkelrot des Rubins sehen, der an ihrem Finger leuchtete. Der Ring ihres Vaters. Natürlich; warum hatte er das nicht schon eher begriffen?
Natürlich hatte Jamie ihm den Ring gegeben, doch das machte ihn nicht zu dem seinen, den er weiter schenken konnte. Und ganz plötzlich hatte er den sehnsüchtigen Wunsch, Brianna etwas zu geben, das wirklich von ihm kam.
Er drehte entschlossen um und kehrte zu einem Planwagen zurück, dessen Metallwaren selbst in diesem Regen glänzten und glitzerten. Er wusste aus Erfahrung, dass sein kleiner Finger genauso dick war wie ihr Ringfinger.
»Diesen hier«, sagte er und hielt einen Ring empor. Er war billig und bestand aus geflochtenen Kupfer- und Messingdrähten, die ihren Finger mit Sicherheit innerhalb weniger Minuten grün färben würden. Umso besser ,
dachte er, während er bezahlte. Ob sie ihn ständig trug oder nicht, sie würde sein Zeichen tragen.
Darum wird eine Frau Vater und Mutter verlassen und an ihrem Manne hängen, und sie werden sein ein Fleisch.
5
Aufruhr und Unruhe
Gegen Ende der ersten Stunde war die Warteschlange meiner Patienten beträchtlich angewachsen, obwohl es immer wieder zu nieseln begann. Es war der letzte Tag des gathering, und viele Leute, die ihre Zahnschmerzen oder Ausschläge ungeklärten Ursprungs bis jetzt ertragen hatten, hatten plötzlich beschlossen, dass sie die Gelegenheit ergreifen und sich untersuchen lassen mussten.
Ich entließ eine junge Frau mit einem beginnenden Kropf und ermahnte sie, sich reichlich mit getrocknetem Fisch einzudecken - sie lebte zu weit im Landesinneren, um regelmäßig frischen zu bekommen - und täglich davon zu essen, um ihren Jodbedarf zu decken.
»Der Nächste!«, rief ich und strich mir das feuchte Haar aus den Augen.
Die Menge teilte sich wie das Rote Meer und gab einen kleinen, älteren Mann preis, der so dünn war, dass er ein wandelndes Skelett hätte sein können. Er war in Lumpen gekleidet
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