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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Aderlassklinge ab - die in dem Durcheinander unter die Räder gekommen war, glücklicherweise jedoch keinen Schaden genommen hatte - und hob dann mein Knie von der Flanke des Hundes. Inzwischen keuchte ich fast genauso heftig wie der Hund.
    Die Zuschauer applaudierten.
    Ich verbeugte mich ein wenig benommen und schob mir mit beiden Händen die zerzausten Locken aus dem Gesicht. Murrays Zustand war kaum besser; sein Pferdeschwanz hatte sich gelöst, und er hatte einen klaffenden Riss in seinem Rock, der mit Schlamm bedeckt war. Er bückte sich, ergriff den Hund und hievte ihn auf den Tisch, wo sein Besitzer stand.
    »Euer Hund, Sir«, sagte er und blieb leise keuchend stehen.
    Der alte Mann drehte sich um, legte dem Hund eine Hand auf den Kopf und blickte abwechselnd von Murray zu mir, als wüsste er nicht genau, was er von dieser unorthodoxen Art der ärztlichen Praxis halten sollte. Er sah sich erneut nach den Soldaten unten auf der Lichtung um und wandte sich dann an mich, die schütteren Brauen über der Hakennase zusammen gezogen.
    »Wer sind die denn?«, sagte er im Tonfall höchsten Erstaunens. Ohne eine Antwort abzuwarten, zuckte er mit den Achseln, wandte sich ab und ging davon. Der Hund sprang mit hängender Zunge vom Tisch und trottete an der Seite seines Herrn davon, neuen Abenteuern entgegen.
    Ich holte tief Luft, strich mir den Dreck von der Schürze, lächelte Murray dankbar zu und wandte mich ab, um mir die Hände zu waschen, bevor ich mich dem nächsten Patienten widmete.
    »Ha«, sagte Brianna leise. »Jetzt haben wir ihn!« Sie hob das Kinn und deutete hinter mich, und ich fuhr herum, um ihrer Blickrichtung zu folgen.
    Der nächste Patient war ein Herr. Das heißt, ein waschechter Herr, seiner Kleidung und Haltung nach zu urteilen, denn in beidem war er dem Durchschnitt weit überlegen. Mir war aufgefallen, dass er sich schon seit einiger Zeit am Rand der Lichtung herumdrückte und seine Blicke zwischen meinem und Murrays Operationszentrum hin und her schweifen ließ, da er offensichtlich unschlüssig war, welchem Medico das Privileg seiner Kundschaft zuteil werden sollte. Anscheinend hatte der Zwischenfall mit dem Hund des Trappers das Zünglein an der Waage zu meinen Gunsten verschoben.
    Ich blickte Murray an, der ein unverkennbar gesäuertes Gesicht machte. Ein solcher Herr würde wahrscheinlich bar bezahlen. Ich zuckte entschuldigend mit den Achseln, dann setzte ich ein freundliches, professionelles Lächeln
auf und bedeutete dem Patienten, auf meinem Hocker Platz zu nehmen.
    »Setzt Euch, Sir«, sagte ich, »und sagt mir, wo Euch der Schuh drückt.«
    Der Herr war ein Mr. Goodwin aus Hillsborough, dessen Hauptbeschwerde, so schien es, ein schmerzender Arm war. Wie ich sah, war dies aber nicht sein einziges Problem; eine frische Zickzacknarbe zog sich über seine Wange, die weißliche Wulst zog ihm den Augenwinkel herunter und verlieh ihm einen grimmig blinzelnden Gesichtsausdruck. Eine schwache Verfärbung an seiner Wange zeigte außerdem die Stelle an, wo er direkt über dem Kinn von einem schweren Gegenstand getroffen worden war, und seine Gesichtszüge hatten das stumpfe, geschwollene Aussehen eines Mannes, der vor nicht allzu langer Zeit übel verprügelt worden war.
    Wenn man sie hinreichend provozierte, prügelten sich feine Herren genauso wie du und ich, doch dieser hier schien mir für diese Art der Volksbelustigung schon ein wenig alt zu sein. Seinem Aussehen nach war er Mitte fünfzig, und ein Wohlstandsbauch drückte sich gegen seine mit Silberknöpfen besetzte Weste. Vielleicht war er überfallen und ausgeraubt worden, dachte ich. Allerdings nicht auf dem Weg zum gathering; diese Verletzungen waren schon Wochen alt.
    Ich tastete mich vorsichtig an seinem Arm und seiner Schulter entlang, ließ ihn den Arm vorsichtig heben und bewegen und stellte ihm kurze Fragen, während ich die Gliedmaßen befühlte. Das Problem war nicht zu verkennen; er hatte sich den Ellbogen verrenkt. Zwar hatte die Verrenkung glücklicherweise bereits nachgelassen, doch ich hatte das Gefühl, dass er sich eine Sehne gerissen hatte, die jetzt in seinem Ellenbogen fest klemmte, so dass jede Bewegung des Arms die Verletzung verschlimmerte.
    Nicht, dass das alles war; als ich seinen Arm weiter abtastete, fand ich an seinen Unterarmknochen nicht weniger als drei halb verheilte, glatte Brüche. Die Verletzungen waren nicht nur äußerliche; ich konnte die verblassenden Überbleibsel zweier großer Prellungen über

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