Das Flammende Kreuz
regte sich nicht, doch trat ein Ausdruck solchen Hungers in ihre Augen, dass er sich zusammennehmen musste, um nicht zurückzuweichen.
»Fahnie?« Der hoch gewachsene Mann hatte immer noch eine Hand auf ihrer Schulter liegen. Er trat dichter an sie heran, und sein Auge zuckte argwöhnisch zwischen der Frau und Roger hin und her.
Sie sagte etwas, das kaum zu hören war, und hob ihre Hand, um sie auf die Hand des Mannes zu legen. Sein Gesicht verlor plötzlich jeden Ausdruck, so als hätte man mit dem Schwamm darüber gewischt. Sie wandte sich ihm zu und redete leise und drängend auf ihn ein.
Die Atmosphäre in der Hütte hatte sich verändert. Sie war zwar noch geladen, doch hatte sich jetzt Verwunderung unter die allgemeine Bedrohlichkeit gemischt. Über ihnen donnerte es so laut, dass sie den Regen nicht mehr hören konnten, doch niemand nahm davon Notiz. Die Männer an der Tür sahen sich erst gegenseitig an, dann betrachteten sie das flüsternd diskutierende Paar mit gerunzelter Stirn. Ein Blitz flammte lautlos auf und stellte die Männer an der Tür in einen Rahmen aus Dunkelheit. Draußen erklangen murmelnde Stimmen und verwunderte Geräusche. Ein weiterer Donnerschlag.
Roger stand reglos da und sammelte seine Kräfte. Seine Beine fühlten sich an wie Gummi, und das Atmen war zwar immer noch die reine Freude, doch jeder Atemzug brannte und prickelte in seinen Lungen. Er würde nicht schnell voran kommen, würde nicht weit kommen, wenn er fliehen musste.
Das Streitgespräch brach abrupt ab. Der Einäugige drehte sich um und wies mit einer scharfen Geste zur Tür. Die anderen Männer grunzten überrascht
und missbilligend auf. Dennoch gingen sie langsam und unter reichlichem Murren davon. Ein kurz gewachsener Kerl, dessen Haar zu Knoten frisiert war, funkelte Roger an, entblößte seine Zähne und fuhr sich zischend mit der Handkante über die Kehle. Leicht schockiert sah Roger, dass die Zähne des Mannes gezackt waren, so zurechtgefeilt, dass sie spitz zuliefen.
Die klapprige Tür hatte sich kaum hinter ihnen geschlossen, als die Frau ihn am Ärmel packte.
»Sagt es mir«, sagte sie.
»Nicht so... schnell.« Er hustete erneut und wischte sich mit dem Handrücken den Speichel vom Mund. Seine Kehle war versengt; die Worte fühlten sich wie brennender Zunder an, den er aus seiner Brust ins Freie presste. »Sorgt dafür... dass ich... hier wegkomme. Dann sage... ich es Euch. Alles, was ich weiß.«
»Sagt es mir!«
Ihre Finger bohrten sich fest in seinen Arm. Ihre Augen waren blutunterlaufen vom Qualm, doch das Braune darin glühte wie Kohlen. Er schüttelte hustend den Kopf.
Der Einäugige schob die Frau beiseite und packte Roger am Hemd. Etwas Stumpfes glänzte vor Rogers Augen auf, zu nah, als dass er es deutlich hätte sehen können, und inmitten des Brandgeruches fing er den Gestank verfaulender Zähne auf.
»Sag es ihr, Mann, oder ich bring dich um!«
Roger schob seinen Unterarm zwischen sich und den Mann und schubste ihn mit aller Kraft von sich, so dass er zurückstolperte.
»Nein«, sagte er hartnäckig. »Ihr bringt mich... hier weg. Dann sage ich es.«
Der Mann zögerte gebückt, und die Messerklinge beschrieb einen kleinen, unsicheren Bogen. Sein Auge huschte zu der Frau hinüber.
»Bist du sicher, dass er weiß?«
Die Frau hatte den Blick nicht von Rogers Gesicht abgewandt. Sie nickte langsam, ohne wegzusehen.
»Er weiff.«
»Es war... ein Mädchen.« Roger sah sie unverwandt an und unterdrückte das Bedürfnis zu blinzeln. »Das wisst Ihr... ja sicher... selbst.«
»Lebt sie noch?«
»Lasst mich... frei.«
Sie war weder eine kräftige noch eine große Frau, doch ihre Not schien die ganze Hütte zu erfüllen. Sie zitterte regelrecht, und ihre Hände hingen zu Fäusten geballt an ihren Seiten. Sie funkelte Roger eine weitere, lange Minute an, dann fuhr sie herum und sagte in der seltsamen, afrikanischen Sprache einige heftige Worte zu dem Mann.
Er versuchte zu widersprechen, doch es war fruchtlos; ihr Wortschwall traf ihn wie das Wasser aus einem Feuerwehrschlauch. Er ergab sich mit
einer frustrierten Geste, dann streckte er die Hand nach dem Kopftuch der Frau aus. Er öffnete die Knoten mit seinen flinken, langen Fingern und faltete es murrend zu einer Augenbinde zusammen.
Das Letzte, was Roger sah, bevor der Mann ihm das Tuch um die Augen band, war Fanny Beardsley. Das Haar fiel ihr in vielen kleinen, fettigen Zöpfen um die Schultern, und ihre Augen hingen immer noch glühend
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