Das Flammende Kreuz
gegeben hatte, sah angstvoll aus. Er versuchte, sie anzulächeln, und hustete erneut. Sie blickte unter dem zerschlissenen Tuch, das sie sich um die Stirn gebunden hatte, zu ihm auf, und er sah, dass das Weiße ihrer Augen scharlachrot war, die Lider rot gerändert und geschwollen. So, wie es sich anfühlte, mussten seine Augen genauso aussehen. Die Luft war immer noch voller Rauch, und in der Ferne konnte er das in der Hitze splitternde Röhricht knacken und knistern hören, hörte er das ersterbende Grollen des Feuers. Irgendwo in der Nähe stieß ein Vogel einen Alarmruf aus und verstummte dann abrupt.
An der Tür war ein Gespräch im Gange, das in zischendem Flüsterton geführt wurde. Die Männer, die sich dort miteinander unterhielten - nein, miteinander stritten -, warfen ihm dann und wann einen Blick zu, ihre Gesichter Masken der Furcht und des Misstrauens. Draußen hatte es zu regnen begonnen; er konnte es zwar nicht riechen, doch traf kühle Luft auf sein Gesicht, und er hörte die Tropfen auf das Dach prasseln, auf die Bäume im Freien.
Er trank den Rest des Wassers, dann hielt er der Frau den Becher wieder hin. Sie fuhr zurück, als könnte er ansteckend sein. Er stellte den Becher auf den Boden, nickte ihr zu und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Die Haare auf seinem Arm waren versengt; sie zerfielen zu Staub, als er sie berührte.
Er bemühte sich, die Worte zu verstehen, hörte jedoch nichts als Kauderwelsch. Die Männer sprachen weder Englisch noch Französisch oder Gälisch. Er hatte einmal gehört, wie sich einige frisch gefangene Schwarze, die aus Charleston zum Verkauf nach Wilmington gebracht worden waren, in genau dieser heiseren, geheimen Murmelsprache unterhielten. Irgendeine afrikanische Zunge - oder auch mehr als eine.
Er hatte Blasen auf der Haut, die an mehreren Stellen wund war und schmerzte, und die Luft in der Hütte war so schwülwarm, dass ihm der Schweiß zusammen mit dem Wasser aus seinen Augen über das Gesicht rann, doch gleichzeitig lief es ihm kalt über den Rücken: Er war nicht auf einer Plantage - so tief im Gebirge gab es keine. Die isolierten Heimstätten, die es
hier oben gab, waren zu arm, um Sklaven zu halten, schon gar nicht eine solche Anzahl. Einige Indianerstämme hielten sich Sklaven - aber keine Schwarzen.
Es gab nur eine mögliche Antwort, und diese wurde durch das Verhalten der Männer bestätigt. Also waren sie Vogelfreie, die Männer, die ihn gefangen genommen hatten - oder gerettet hatten? Entflohene Sklaven, die hier im Verborgenen lebten.
Ihre Freiheit-und möglicherweise ihr Leben - hing davon ab, dass sie verborgen blieben. Und hier saß er als lebende Bedrohung. Sein Inneres krampfte sich zusammen, als er begriff, wie gefährdet er in dieser Situation war. Hatten sie ihn vor dem Feuer gerettet? Wenn ja, dann bedauerten sie es jetzt wohl, zumindest den Blicken der Männer an der Tür nach.
Einer der Streitenden löste sich aus der Gruppe, kam zu ihm herüber und hockte sich vor ihn hin, nachdem er die Frau beiseite geschoben hatte. Zusammengekniffene, schwarze Augen huschten über ihn hinweg, von seinem Gesicht auf seine Brust und wieder zurück.
»Wer du?«
Er hatte nicht den Eindruck, dass der aggressive Fragesteller seinen Namen wissen wollte. Er wollte vielmehr wissen, wieso Roger hier war. Mehrere Möglichkeiten schossen Roger durch den Kopf-welche Antwort würde ihn wohl am ehesten am Leben erhalten?
Nicht »Jäger« - wenn sie ihn für einen Engländer hielten, der allein unterwegs war, würden sie ihn mit Sicherheit umbringen. Konnte er sich als Franzose ausgeben? Ein Franzose würde ihnen nicht so gefährlich vorkommen. Vielleicht.
Er kniff die Augen fest zu, um den Blick frei zu bekommen, und hatte den Mund schon geöffnet, um zu sagen, »Je suis Français - un voyageur«, als er in der Mitte seiner Brust einen scharfen Schmerz spürte, der ihn zischend einatmen ließ.
Das Metall des Astrolabiums hatte ihn im Feuer versengt, so dass sich darunter Blasen gebildet hatten, die geplatzt waren und ihm das Instrument mit ihrer zähen Flüssigkeit an die Haut geklebt hatten. Als er sich jetzt bewegte, hatte es sich durch sein Gewicht losgerissen, ihm die Haut in Fetzen abgeschält und eine rohe Stelle in der Mitte seiner Brust zurückgelassen.
Er steckte zwei Finger in den Halsausschnitt seines Hemdes und zog den Lederriemen vorsichtig hoch.
»Ver... mes... ser.« Krächzend zwang er die Silben an dem Knoten aus Ruß und
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