Das Flammende Kreuz
zwang sich zu kauen und zu schlucken, jeder Bissen eine hartnäckige Anstrengung. Was war es nur?, fragte sich Roger. Schlichte Sturheit? Rachegefühle gegenüber der Schlange? Oder vielleicht ein Aberglaube aus den Highlands, die Vorstellung, dass das Verspeisen des Reptilienfleisches den Biss heilen könnte?
»Kannten die Indianer kein Heilmittel gegen Schlangenbisse?«, fragte Jamie abrupt und bestätigte damit Rogers letzte Vermutung zumindest ansatzweise.
»Doch«, antwortete Roger vorsichtig. »Sie haben Wurzeln und Kräuter mit Dung oder heißem Maisbrei vermischt und damit Umschläge gemacht.«
»Hat es funktioniert?« Fraser hielt ein Stück Fleisch in der Hand, die an seinem Handgelenk hing, als sei sie zu müde, es in seinen Mund zu befördern.
»Ich habe es nur zweimal gesehen. Beim ersten Mal schien es wunderbar zu funktionieren - keine Schwellung, keine Schmerzen; das kleine Mädchen war schon am Abend desselben Tages wieder ganz gesund. Beim zweiten
Mal - hat es nicht funktioniert.« Er hatte nur gesehen, wie man die Leiche in ein Fell gewickelt aus dem Langhaus trug, war aber nicht zum Zeugen der unangenehmen Details des Todes geworden. Doch jetzt sah es ja so aus, als würde er erneut Gelegenheit bekommen, die Wirkung eines Schlangenbisses aus nächster Nähe mit anzusehen.
Fraser ächzte.
»Und was würde man in eurer Zeit tun?«
»Dir ein Gegengift injizieren.«
»Injizieren, aye?« Jamie sah wenig begeistert aus. »Das hat Claire einmal mit mir gemacht. Es war ziemlich unangenehm.«
»Hat es funktioniert?«
An Stelle einer Erwiderung ächzte Jamie nur und biss ein weiteres, winziges Stück Fleisch ab.
Trotz seiner Sorge schlang Roger seinen Anteil des Fleisches herunter, dazu das, was Jamie von seiner Mahlzeit liegen ließ. Der Himmel breitete sich schwarz und sternenklar über ihnen aus, und ein kalter Wind wehte zwischen den Bäumen hindurch, so dass seine Hände und sein Gesicht kalt wurden.
Er vergrub die Überreste der Schlange - das Letzte, was ihm jetzt noch fehlte, war das Auftauchen eines großen Raubtiers, das durch den Blutgeruch angelockt wurde - und sah nach dem Feuer. Die ganze Zeit lauschte er dabei auf einen Ruf aus der Dunkelheit. Es kam kein Geräusch außer dem Klagen des Windes und dem Knacken im Geäst; sie waren allein.
Trotz der Kälte hatte Fraser sein Jagdhemd ausgezogen und saß mit geschlossenen Augen sacht schwankend da. Roger hockte sich neben ihn und berührte ihn am Arm. Himmel! Der Mann fühlte sich glühend heiß an.
Doch er öffnete die Augen und lächelte schwach. Roger hielt ihm einen Becher mit Wasser hin; Jamie nickte und griff umständlich danach. Sein Bein war unterhalb des Knies grotesk geschwollen und beinahe zweimal so dick wie sonst. Die Haut hatte unregelmäßige, dunkelrote Flecken, als hätte ein Sukkubus seinen hungrigen Mund auf das Bein gepresst, um dann unbefriedigt weiterzuziehen.
Roger fragte sich beklommen, ob es möglich war, dass er doch Unrecht hatte.
Er war fest davon überzeugt gewesen, dass sich die Vergangenheit nicht ändern ließ; ergo standen der Zeitpunkt und die Art und Weise von Frasers Tod fest - etwa vier Jahre später. Doch wenn diese Gewissheit nicht wäre, dachte er, würde ihm das Aussehen des Mannes ziemliche Sorgen bereiten. Wie sicher war er sich denn schließlich?
»Es könnte doch sein, dass du Unrecht hast.« Jamie hatte den Becher abgesetzt und betrachtete ihn mit festem, blauem Blick.
»In welcher Hinsicht?«, fragte er und erschrak, weil er seinen Gedanken laut ausgesprochen hörte. Hatte er vor sich hingemurmelt, ohne es zu realisieren?
»Was die Veränderungen angeht. Du hast einmal gesagt, du glaubst, man kann die Geschichte nicht ändern. Aber was ist, wenn du Unrecht hast?«
Roger beugte sich vor, um das Feuer zu schüren.
»Ich habe nicht Unrecht«, sagte er bestimmt, genau so sehr zu sich selbst wie zu Fraser. »Denk doch einmal nach, Mann. Du und Claire - ihr habt doch versucht, Charles Stuart aufzuhalten, das zu ändern, was er getan hat -, und ihr konntet es nicht. Es geht nicht.«
»Das stimmt nicht ganz«, widersprach Fraser. Er lehnte sich zurück, die Augen zum Schutz vor dem Leuchten des Feuers halb geschlossen.
»Was stimmt nicht?«
»Es ist wahr, dass es uns nicht gelungen ist, den Aufstand zu verhindern - aber das hing ja nicht nur von uns und von ihm ab; es hatten noch eine ganze Menge anderer Leute damit zu tun. Die Clanshäuptlinge, die ihm gefolgt sind, die verdammten
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