Das Flammende Kreuz
Erschöpfung verlieh der Szene auf dem Hof einen zusätzlichen Hauch von Surrealismus - nicht, dass das noch nötig gewesen wäre.
Die Sonne war so gut wie untergegangen und flammte golden auf den letzten, zerzausten Blättern der Kastanien auf. Die Fichten standen schwarz vor dem Hintergrund des ersterbenden Leuchtens, ebenso der Galgen in der Mitte des Hofes und die gespenstischen Überreste, die daran baumelten. Neben den Blaubeerbüschen brannte ein Freudenfeuer, und Schattenrissfiguren, die aus den Flammen auftauchten und im Schatten verschwanden, huschten in alle Richtungen davon. Einige von ihnen gingen mit Messern und Beilen bewaffnet auf den aufgehängten Kadaver los; andere stapften schwer beladen mit Fleischstücken und Eimern voller Fett davon. Am Feuer waren die glockenförmigen Umrisse der Frauen zu sehen, die sich in ihren Röcken bückten und mit ihren Armen ein lautloses Ballett vollführten.
Trotz der Dunkelheit konnte ich Briannas hoch gewachsene, hellhäutige Gestalt in der Horde der Dämonen erkennen, die auf den Büffel einhackten - anscheinend sorgte sie für Ordnung. Bevor man ihn mit Gewalt wieder in das Sprechzimmer zurückbeförderte, hatte Jamie das Gewicht des Büffels irgendwo zwischen achtzehnhundert und zweitausend Pfund eingeschätzt. Brianna hatte dazu genickt, Jemmy an Lizzie weitergereicht und war dann unter gedankenversunkenem Blinzeln um den Kadaver herumgeschritten.
»Gut«, hatte sie gesagt, und sobald die ersten Männer halb angekleidet, unrasiert und mit vor Aufregung wildem Blick von ihren Heimstätten eintrafen, hatte sie besonnen ihre Anweisungen zum Sägen von Balken und der Errichtung eines Flaschenzuggerüsts erteilt, das stabil genug war, um eine Tonne Fleisch hochzuhieven und zu tragen.
Die Männer, die sich ärgerten, weil sie an der Erlegung des Tiers nicht teilgehabt hatten, hatten anfangs keine große Lust an den Tag gelegt, ihr Folge zu leisten. Doch Brianna war groß und temperamentvoll, sie hielt mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg - und sie war stur.
»Wessen Waffe war das?«, hatte sie herausfordernd gefragt und Geordie Chisholm und seine Söhne unverwandt angestarrt, als sie sich mit ihren Messern auf den Kadaver zubewegten. Sie wies auf die tiefe Furche im Hals des Tiers, dann strich sie langsam mit der Hand über ihren Ärmel und lenkte die Blicke der Männer auf die Blutflecken darauf. »Oder das hier?« Sie wies mit ihrem nackten Fuß vorsichtig auf die durchtrennte Kehle und die Blutpfütze, die im Hof versickert war. Meine Strümpfe lagen dort, wo ich sie ausgezogen
hatte, am Rand der gerinnenden Pfütze, schlaffe, rote Lumpen, die jedoch erkennbar einer Frau gehörten.
Von meinem Beobachtungsposten am Fenster aus hatte ich gesehen, wie sich mehr als ein Gesicht dem Haus zuwandte und stirnrunzelnd die Erkenntnis widerspiegelte, dass Brianna Ehrwürdens Tochter war - eine Tatsache, die der Kluge nicht vergaß.
Doch es war Roger gewesen, der die Stimmung zu ihren Gunsten gewendet hatte. Er hatte sich kühl umgesehen, und die Lindsay-Brüder hatten sich mit ihren Äxten hinter ihn gestellt.
»Es ist ihre Beute«, sagte er mit seiner heiseren Krächzstimme. »Tut, was sie sagt.« Er richtete sich auf und warf den anderen Männern einen Blick zu, der ihnen nahe legte, auf weitere Einwände zu verzichten.
Als Fergus das sah, hatte er mit den Achseln gezuckt und sich gebückt, um das Tier - einhändig - an seinem mickrigen Schwanz zu packen.
»Wohin möchtet Ihr es haben, Madame?«, fragte er höflich. Die Männer waren in Gelächter ausgebrochen und hatten sich ihm dann unter verlegenen Blicken und resigniertem Achselzucken angeschlossen und ihren Anweisungen Folge geleistet.
Brianna hatte Roger erst überrascht, dann dankbar angesehen und die Sache dann energisch - und mit bemerkenswertem Resultat - in die Hand genommen. Es begann gerade erst, dunkel zu werden, und das Tier war beinahe vollständig zerlegt, das Fleisch an sämtliche Haushalte von Fraser’s Ridge verteilt. Sie kannte jeden, kannte die Anzahl der Münder in jeder Blockhütte, und teilte Fleisch und Innereien gleich beim Zerlegen des Tiers ein. Nicht einmal Jamie hätte es besser hinbekommen, dachte ich und spürte eine warme Welle des Stolzes auf meine Tochter.
Ich blickte zum Tisch hinüber, wo Jamie in Decken gepackt lag. Ich hatte ihn nach oben ins Bett umlagern wollen, doch er hatte darauf bestanden, unten zu bleiben, wo er wenigstens hören konnte, was vor sich ging, wenn
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