Das Flammende Kreuz
Heidenangst eingejagt!« Das zumindest war nicht gelogen.
Die Augenbraue hob sich wieder.
»Meinst du etwa, ich hatte keine Angst?«
»Das kann ich nicht zulassen«, sagte ich bestimmt. »Es kann immer nur einer von uns zur selben Zeit Angst haben, und jetzt bin ich dran.«
Das brachte ihn zum Lachen, obwohl dem Gelächter schnell ein Hustenanfall und eine Schüttelfrostattacke folgten.
»Hol mir einen heißen Ziegel für seine Füße«, sagte ich zu Marsali und deckte ihn schnell wieder zu. »Und gieß kochendes Wasser in die Teekanne und bring mir das bitte.«
Sie hastete in die Küche. Ich blickte aus dem Fenster und fragte mich, ob es Brianna wohl gelungen war, Maden zu finden. Es gab nichts, was eine eiternde Wunde besser reinigte, ohne dem gesunden Gewebe ringsum zu schaden. Wenn ich ihm nicht nur das Leben, sondern auch das Bein retten wollte, brauchte ich mehr als nur die Hilfe der Heiligen Bride.
Während ich mich geistesabwesend fragte, ob es wohl einen Schutzpatron der Maden gab, hob ich eine Ecke der Bettdecke an und warf einen raschen Blick auf meine anderen, wirbellosen Helfer. Gut; ich atmete erleichtert auf. Die Blutegel arbeiteten schnell; sie wurden schon rund. Sie saugten ihm das Blut aus, das aus den geborstenen Kapillargefäßen in das Gewebe seines Beins strömte. Ohne diesen Druck war es möglich , dass seine gesunde Durchblutung rechtzeitig wieder in Gang kam, um Haut und Muskeln am Leben zu erhalten.
Ich konnte seine geballte Faust auf der Tischkante sehen und seinen Schüttelfrost durch meine Oberschenkel spüren, die ich an das Holz gepresst hatte.
Ich nahm seinen Kopf zwischen meine Hände; die Haut seiner Wangen glühte.
»Du wirst nicht sterben!«, zischte ich. »Das lasse ich nicht zu!«
»Das sagt andauernd jemand zu mir«, murmelte er mit geschlossenen, vor Erschöpfung eingesunkenen Augen. »Darf ich dazu vielleicht auch eine Meinung haben?«
»Nein«, sagte ich. »Das darfst du nicht. Hier, trink das.«
Ich hielt ihm den Becher mit der Penizillinbrühe an die Lippen und hielt ihn fest, während er trank. Wahrscheinlich würde das Penizillin innerlich verabreicht ja nicht viel nützen - aber möglich war es dennoch. Er verzog das Gesicht und presste die Augen fest zu, schluckte die Flüssigkeit aber gehorsam herunter.
Marsali hatte die Teekanne gebracht, die sie bis zum Rand mit kochendem Wasser gefüllt hatte. Ich goss den Großteil davon über die vorbereiteten Kräuter und ließ sie ziehen, während ich ihm einen Becher kaltes Wasser einschenkte, damit er den Penizillingeschmack herunterspülen konnte.
Er schluckte das Wasser, ohne die Augen zu öffnen, und legte sich dann auf das Kissen zurück.
»Was ist das?«, fragte er. »Es schmeckt nach Eisen.«
»Wasser«, erwiderte ich. »Alles schmeckt nach Eisen; dein Mund blutet.« Ich reichte Marsali den leeren Wasserkrug und bat sie, Nachschub zu holen. »Mit Honig«, sagte ich. »Ungefähr einen Teil Honig auf vier Teile Wasser.«
»Bouillon, die braucht er«, sagte sie und blieb stehen, um ihn mit sorgenvoll gerunzelter Stirn anzusehen. »Meine Mutter hat darauf geschworen,
und ihre Mutter auch schon. Wenn jemand Blut verloren hat, gibt es nichts besseres als Bouillon.«
Marsali musste sich wirklich ernsthafte Sorgen machen; aus angeborenem Taktgefühl erwähnte sie ihre Mutter in meiner Gegenwart nur selten. Die verflixte Laoghaire hatte jedoch ausnahmsweise Recht; Bouillon wäre eine hervorragende Sache gewesen - wenn wir frisches Rindfleisch gehabt hätten, was aber nicht der Fall war.
»Honigwasser«, sagte ich knapp und scheuchte sie aus dem Zimmer. Ich holte mir Nachschub aus der Blutegelabteilung und blieb am vorderen Fenster stehen, um nachzusehen, ob Brianna Fortschritte machte.
Sie stand barfuß auf dem Paddock, die Röcke bis zum Knie gerafft, und schüttelte sich gerade Pferdemist von ihrem Fuß. Also hatte sie bis jetzt kein Glück gehabt. Sie sah mich am Fenster stehen und winkte, dann wies sie erst auf die Axt, die in ihrer Nähe stand, dann auf den Waldrand. Ich nickte und winkte ebenfalls; ein verrotteter Baumstamm war eine weitere Möglichkeit.
Jemmy kniete neben ihr auf dem Boden und war mit seiner Laufleine an den Paddockzaun angebunden. Nicht, dass er sie gebraucht hätte, um auf den Beinen zu bleiben, aber sie verhinderte, dass er entwischte, während seine Mutter zu tun hatte. Er war ganz damit beschäftigt, an den getrockneten Überresten einer Kürbisranke zu zerren, die über den
Weitere Kostenlose Bücher