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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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hören konnte. Und ich an seiner Seite. Sorgfältig und ohne mir ein Wort zu sagen, hatte er entschieden, wie und wo er sterben wollte.
    »Als wir dich nach hier oben gebracht haben, dachtest du, du würdest sterben, nicht wahr?«, fragte ich. Meine Stimme klang eher verwirrt als anklagend.
    Es dauerte einen Moment, bis er antwortete, obwohl er nicht so aussah, als zögerte er. Es war eher so, als suchte er nach den richtigen Worten.
    »Nun, ich war mir nicht sicher, nein«, sagte er schleppend. »Obwohl ich mich ziemlich elend gefühlt habe.« Seine Augen schlossen sich langsam, als sei er zu müde, um sie offen zu halten. »Und daran hat sich nichts geändert«, fügte er in leicht abwesendem Ton hinzu. »Aber du brauchst dich nicht zu sorgen - ich habe meine Wahl getroffen.«
    »Was in aller Welt meinst du denn damit?«
    Ich tastete mich unter der Bettdecke vor, bis ich sein Handgelenk fand. Er war warm; geradezu heiß, und sein Puls schlug viel zu schnell und flach. Dennoch war es ein solcher Unterschied zu der tödlichen Kälte, die ich letzte Nacht in ihm gespürt hatte, dass meine erste Reaktion Erleichterung war.
    Er holte ein paar Mal tief Luft, dann drehte er den Kopf und öffnete die Augen, um mich anzusehen.
    »Ich meine, ich hätte letzte Nacht sterben können.«
    Das hätte er in der Tat ─ und doch war es nicht das, was er meinte. So, wie er es sagte, klang es wie eine bewusste...
    »Wie meinst du das, du hast deine Wahl getroffen? Hast du dich entschieden, doch nicht zu sterben?« Ich versuchte, einen unbeschwerten Tonfall einzuschlagen, doch es gelang mir nicht besonders gut. Ich erinnerte mich viel zu gut an jenes seltsame Gefühl zeitloser Stille, das uns umgeben hatte.
    »Es war sehr seltsam«, sagte er. »Und doch war es ganz und gar nicht seltsam.« Er klang vage überrascht.
    »Ich glaube«, sagte ich vorsichtig, ohne meinen Daumen von seinem Puls zu nehmen, »du erzählst mir besser, was geschehen ist.«
    Bei diesen Worten lächelte er tatsächlich, wenn auch mehr mit den Augen als mit den Lippen. Letztere waren trocken und in den Mundwinkeln schmerzhaft aufgesprungen. Ich berührte seine Lippen mit dem Finger und hätte ihm gern eine lindernde Salbe geholt, etwas Wasser oder Tee- doch ich verdrängte den Impuls und zwang mich, an seiner Seite zu bleiben und ihm zuzuhören.
    »Ich weiß es nicht genau, Sassenach - oder besser, ich weiß es zwar, aber ich weiß nicht genau, wie ich es sagen soll.« Er sah müde aus, doch seine
Augen blieben geöffnet. Sie verharrten auf meinem Gesicht, leuchtend blau im Morgenlicht, mit einem beinahe neugierigen Ausdruck, als hätte er mich noch nie gesehen.
    »Du bist so schön«, sagte er leise. »So wunderschön, mo chridhe.«
    Meine Hände waren voller verblassender, blauer Flecken und übersehener Büffelblutspritzer; ich konnte spüren, wie mir das Haar in ungewaschenen Knoten am Hals klebte, und ich konnte alles Mögliche an meinem Körper riechen, vom abgestandenen Uringeruch der Kleiderfarbe bis hin zu Angstschweiß. Und doch ließ das, was er vor sich sah, sein Gesicht aufleuchten, als blickte er in einer Sommernacht zum Vollmond auf, der klar und schön am Himmel stand.
    Seine Augen hielten die meinen fest, als er jetzt konzentriert zu reden begann, und dann bewegten sie sich sacht, als zeichneten sie meine Gesichtszüge nach.
    »Als Arch und Roger Mac mich nach oben gebracht haben, ging es mir wirklich erbärmlich«, sagte er. »Mir war übel, und mein Bein und mein Kopf haben mit jedem Herzschlag pulsiert, so heftig, dass ich angefangen habe, mich vor dem nächsten zu fürchten. Also habe ich auf die Zwischenräume gelauscht. Man würde es nicht denken«, sagte er und klang vage überrascht, »aber zwischen zwei Herzschlägen vergeht eine Menge Zeit.«
    Er hatte, so sagte er, zu hoffen begonnen, dass der nächste Schlag nicht kommen würde. Dann hatte er allmählich realisiert, dass sein Herz sich in der Tat verlangsamte - und dass der Schmerz in die Ferne zurückwich, sich von ihm absonderte.
    Seine Haut hatte sich abgekühlt, das Fieber war aus Körper und Geist gewichen und hatte Letzteren merkwürdig klar zurückgelassen.
    »Und jetzt kommt die Stelle, die ich eigentlich nicht beschreiben kann, Sassenach.« Seine Erzählung nahm ihn so mit, dass er mir sein Handgelenk entzog und seine Finger um die meinen schloss. »Aber ich... habe etwas gesehen.«
    »Was denn?« Und doch wusste ich schon, dass er es mir nicht sagen konnte. Wie jeder Arzt,

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