Das Flammende Kreuz
du wohl, was geschehen würde, wenn -«
Er öffnete die Augen und warf mir einen dunkelblauen Blick zu.
»Sassenach«, sagte er leise.
»Was?«
»Ich hätte gern, dass du mich berührst... ohne mir weh zu tun. Nur einmal, bevor ich einschlafe. Würde dir das sehr viel ausmachen?«
Ich hielt inne und holte Luft. Furchtbar bestürzt begriff ich, dass er Recht hatte. Ich war so vollständig in der Hektik des Notfalls und der Sorge um seinen Zustand aufgegangen, dass alles, was ich an diesem Tag mit ihm gemacht hatte, entweder schmerzhaft oder lästig oder beides gewesen war. Marsali, Brianna, Roger, Jemmy ─ sie alle hatten ihn voll Zärtlichkeit berührt, ihm Mitgefühl und Trost gespendet.
Und ich - ich war so voller Schrecken über das gewesen, was möglicherweise geschehen würde, über das, was zu tun ich mich möglicherweise gezwungen sehen würde, dass ich mir keine Zeit für Zärtlichkeiten genommen, ihnen keinen Platz eingeräumt hatte. Ich wandte einen Moment den Kopf ab und kniff die Augen zu, bis die Tränen sich zurückzogen. Dann stand ich auf und ging zum Bett hinüber, beugte mich über ihn und küsste ihn ganz sanft.
Ich strich ihm das Haar aus der Stirn zurück, die ich ihm dann mit meinen Daumen glättete. Arch Bug hatte ihn rasiert; die Haut seiner Wange fühlte sich glatt und heiß an. Die Knochen unter seiner Haut waren hart, Stützen seiner Kraft - und doch kam er mir plötzlich zerbrechlich vor. Auch ich fühlte mich zerbrechlich.
»Ich möchte, dass du neben mir schläfst, Sassenach«, flüsterte er.
»Na gut.« Ich lächelte ihn an, und meine Lippen zitterten schwach. »Lass mich nur mein Haar ausbürsten.«
Ich setzte mich im Hemd nieder, schüttelte mein Haar aus und ergriff die Bürste. Er sah mir zu, ohne etwas zu sagen, jedoch mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen. Er sah mir gern zu, wenn ich mir das Haar bürstete; ich hoffte, dass es auf ihn genauso beruhigend wirkte wie auf mich.
Unten erklangen Geräusche, doch sie waren gedämpft, in sicherer Entfernung. Die Fensterläden standen ein Stückchen offen; das Licht des ersterbenden
Feuers auf dem Hof fiel flackernd auf das Fensterglas. Ich warf einen Blick zum Fenster und fragte mich, ob ich sie schließen sollte.
»Lass sie so, Sassenach«, murmelte er vom Bett aus. »Ich höre es gern, wenn sie reden.« Der Klang der Stimmen von draußen war beruhigend; sie hoben und senkten sich, unterbrochen von kurzem Auflachen.
Das Geräusch der Bürste war sanft und regelmäßig wie Wellen auf Sand, und ich spürte, wie die Anspannung des Tages langsam nachließ, als könnte ich mir meine Angst und Nervosität genauso aus den Haaren bürsten wie die Knoten und die kleinen Stückchen der Kürbisranke. Als ich schließlich die Bürste weglegte und mich erhob, hatte Jamie die Augen geschlossen.
Ich kniete mich vor das Feuer, um es einzudämmen, erhob mich, um die Kerze auszublasen, dann ging ich schließlich zu Bett.
Ich ließ mich behutsam neben ihm nieder, um ihn nicht zu stoßen. Er lag von mir abgewandt auf der Seite, und ich drehte mich ihm zu und schmiegte meinen Körper in die Biegung des seinen, wobei ich es sorgsam vermied, ihn zu berühren.
Ich lag ganz still da und lauschte. Alle Geräusche des Hauses hatten ihren nächtlichen Rhythmus angenommen; das Zischen des Feuers und das Brausen des Windes in der Esse, das plötzliche, erschreckende Knack! der Treppe, als sei ein ahnungsloser Fuß auf eine Stufe getreten, die sich noch nicht gesetzt hatte. Ich hörte Mr. Wemyss’ Polypengeschnarche, das durch die Dicke der dazwischen liegenden Türen zu einem beruhigenden Summen gedämpft wurde.
Draußen erklangen immer noch leise, entfernte Stimmen, unzusammenhängend dank des Alkohols und der späten Stunde. Stets jedoch jovial; es deutete nichts auf Unstimmigkeiten oder drohende Gewalt hin. Eigentlich kümmerte mich das aber auch gar nicht. Was mich betraf, konnten sich die Bewohner von Fraser’s Ridge gern gegenseitig bewusstlos hämmern und auf ihren jeweiligen Überresten herumtanzen. Meine Aufmerksamkeit galt einzig und allein Jamie.
Seine Atmung war flach, aber gleichmäßig, seine Schultern entspannt. Ich wollte ihn nicht stören; er brauchte vor allem Ruhe. Gleichzeitig sehnte ich mich aber danach, ihn zu berühren. Ich hätte mich gern versichert, dass er wirklich hier war, lebend an meiner Seite - doch ich musste auch unbedingt erfahren, wie es um ihn stand.
Fieberte er? War die drohende Entzündung in seinem
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