Das Flammende Kreuz
großen Mengen.«
»Wie groß?« Jamie hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und den Kopf in die Hände sinken lassen. Das schien zu helfen; seine Stimme war fest.
Duff spitzte die Lippen und blinzelte, während er nachrechnete.
»Wir waren zu sechst in dem Wirtshaus an der Roanoke Street. Sechs mit kleinen Booten, meine ich, klein genug für die schmalen Buchten. Wenn alle aufgeladen haben, was sie konnten... dann waren es alles in allem fünfzig Kisten Tee.«
»Und er bringt eine solche Ladung wie oft mit - alle zwei Monate?« Roger hatte sich ein wenig entspannt und stützte sich auf seine Ruder. Meine Wachsamkeit hatte jedoch nicht nachgelassen, und ich sah Duff über die Pistole hinweg finster an, um ihm das anzudeuten.
»Oh, öfter«, antwortete Duff, der mich misstrauisch beobachtete. »Ich weiß es nicht genau, aber man hört ja Gerüchte, nicht wahr? Nach dem, was die Besatzungen der anderen Boote sagen, bekommt er während der Saison alle zwei Wochen irgendwo zwischen Virginia und Charleston eine Ladung herein.« Roger grunzte bei diesen Worten überrascht auf, und Jamie blickte kurz von seinen verschränkten Händen auf.
»Was ist mit der Marine?«, fragte er. »Wen bezahlt er?« Das war eine gute Frage. Möglich zwar, dass kleinere Boote den Blicken der Marine entgingen, doch Bonnets Machenschaften umfassten offenbar große Mengen an Schmuggelware, die auf großen Schiffen hereinkamen. Ein Unternehmen in dieser Größenordnung musste schwer geheim zu halten sein - und die nahe liegende Lösung war, dass er gar nicht erst versuchte, es geheim zu halten.
Duff schüttelte den Kopf und zuckte mit den Achseln.
»Kann ich nicht sagen, Mann.«
»Aber Ihr habt seit Februar nicht mehr für Bonnet gearbeitet?«, fragte ich. »Warum nicht?«
Duff und Peter wechselten einen Blick.
»Skorpionfische isst man, wenn man Hunger hat«, sagte Peter zu mir. »Wenn man was Besseres hat, lässt man es sein.«
»Was?«
»Der Mann ist gefährlich, Sassenach«, übersetzte Jamie trocken. »Sie haben nur ungern mit ihm zu tun, es sei denn, aus Not.«
»Nun, wisst Ihr, Bonnet«, sagte Duff, der sich allmählich für das Thema erwärmte. »Man kann ganz gut mit ihm auskommen - solange man dieselben Interessen verfolgt wie er. Falls man ihm aber plötzlich in die Quere kommt...«
Peter fuhr sich ernst mit dem Finger quer über den sehnigen Hals und nickte bestätigend.
»Und es ist nicht so, als ob er einen warnen würde«, fügte Duff hinzu und nickte ebenfalls. »In einer Minute teilt man Whisky und Zigarren, in der nächsten liegt man auf dem Rücken und atmet Blut und freut sich, dass man überhaupt noch atmet.«
»Ist er so aufbrausend?« Jamie fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und wischte sich dann die verschwitzte Handfläche an seinem Hemd ab. Das feuchte Leinen klebte ihm an den Schultern, doch ich wusste, dass er es nicht ausziehen würde.
Duff, Peter und Roger schüttelten bei dieser Frage gleichzeitig die Köpfe.
»Eiskalt«, sagte Roger, und ich hörte den leisen Unterton der Anspannung in seiner Stimme.
»Bringt einen um, ohne mit der Wimper zu zucken«, versicherte Duff Jamie.
»Macht einen kalt wie den Wal«, fügte Peter mit einer Handbewegung in Richtung der Insel hilfreich hinzu. Die Strömung hatte uns jetzt ein ganzes Stück dichter an die Insel herangetragen, und ich konnte den Wal nicht nur riechen, sondern auch sehen. Eine große Wolke von Seevögeln wirbelte kreischend über dem Kadaver herum, und dann und wann stieß einer hinab, um sich ein Stück Fleisch abzureißen. Daneben hatte sich eine kleine Menschenmenge angesammelt, die sich die Hände vor die Nase hielt und deutlich sichtbar ihre Taschentücher und Duftsäckchen umklammerte.
Genau in diesem Moment schlug der Wind um, und ein fauliger Hauch der Verwesung spülte über uns hinweg wie eine brechende Welle. Ich schlug mir Rogers Hemd vor das Gesicht, und selbst Peter schien blass zu werden.
»Mutter Gottes, hab Erbarmen mit mir«, sagte Jamie leise. »Ich - oh, Himmel!« Er beugte sich zur Seite und übergab sich mehrmals.
Ich stieß Roger meinen Zeh in den Hintern.
»Rudere«, schlug ich vor.
Roger leistete mir hastig Folge und legte sich so kräftig in die Riemen, dass der Kiel des Bootes schon nach wenigen Minuten auf Sand lief. Duff und Peter sprangen hinaus, um das Boot aufs Trockene zu ziehen, dann halfen sie mir galant an Land, offenbar ohne mir die Sache mit der Pistole nachzutragen.
Jamie bezahlte sie,
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