Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
wies kopfnickend auf den Bootssteg vor ihnen. Auf dem Wasser war es kühl - um diese Uhrzeit fast noch kalt -, doch die Luft war feucht, und vor Anstrengung lief ihm der Schweiß über das Gesicht. Peter saß ebenfalls schweigend da, und die Miene seines dunklen Gesichtes zeigte an, dass er mit diesem Unterfangen nichts zu tun haben wollte, und je eher ihre unwillkommene Fracht von Bord ging, desto besser.
    Wylies Landeplatz schien inmitten eines Dickichts aus Binsen und Spartgras wie eine Fata Morgana in einer Nebelschicht auf dem Wasser zu schweben. Er war von Marschland, kleinen Grüppchen verkrüppelter Strandbäume und großen, offenen Wasserflächen umgeben, über die sich ein überwältigender, blassgrauer Himmel spannte. Im Vergleich zu den grünen Lichtungen der Berge schien er unangenehm ungeschützt zu liegen. Gleichzeitig war er jedoch vollkommen isoliert und befand sich ganz offensichtlich meilenweit von jedem Anzeichen menschlicher Besiedlung entfernt.

    Das war teilweise Einbildung; Roger wusste, dass sich das Plantagenhaus nicht mehr als eine Meile von der Anlegestelle entfernt befand, doch es lag hinter einem dichten, mitgenommen aussehenden Wald verborgen, der sich aus dem Marschboden erhob wie eine missgebildete, zwergenhafte Ausgabe des Sherwood Forest und dicht mit Schlingpflanzen und Gebüsch bewachsen war.
    Der Landeplatz selbst bestand aus einem kurzen, hölzernen Dock auf Pfählen, an das sich eine Reihe zusammengeschusterter Schuppen anschloss, deren silbergrau verwitterter Farbton inmitten des drückenden Himmels verschwinden zu wollen schien. Ein kleines, offenes Boot lag kieloben am Ufer. Ein Holzzaun umschloss einen kleinen Pferch hinter den Schuppen; Wylie musste dann und wann Vieh auf dem Wasserweg transportieren.
    Jamie berührte den Patronenbehälter, der an seinem Gürtel hing, vielleicht zu seiner Beruhigung, vielleicht aber auch nur, um sich zu versichern, dass er noch trocken war. Sein Blick wanderte abschätzend zum Himmel, und Roger begriff mit plötzlicher Sorge, dass sie sich nicht mehr auf ihre Büchsen verlassen konnten, wenn es regnete. Schwarzpulver verklumpte bei Feuchtigkeit; eine Spur von Nässe, und es zündete überhaupt nicht mehr. Und das Letzte, was er sich wünschte, war, sich Stephen Bonnet mit einem nutzlosen Schießeisen gegenüber zu sehen.
    Er ist ein Mensch, mehr nicht , wiederholte er sich schweigend. Wenn er zuließ, dass Bonnet in seinem Kopf übernatürliche Proportionen annahm, war er zum Scheitern verurteilt. Er suchte nach einem Bild, das ihn beruhigen würde, und klammerte sich an eine Erinnerung an Stephen Bonnet, der auf der Latrine der Gloriana saß, die Hose in einem Häufchen auf die nackten Füße gesunken, das Kinn mit den blonden Stoppeln schlaff im Morgenlicht, während er es mit halb geschlossenen Augen genoss, in Frieden zu scheißen.
    Mist, dachte er. Stellte er sich Bonnet als Ungeheuer vor, war es unmöglich; stellte er ihn sich als Menschen vor, war es noch schlimmer. Und doch war es unumgänglich.
    Seine Handflächen waren verschwitzt; er rieb sie sich an der Hose ab, ohne sich die geringste Mühe zu geben, es im Verborgenen zu tun. Neben den beiden Pistolen trug er einen Dolch am Gürtel; das Schwert ruhte am Boden des Bootes massiv in seiner Scheide. Er dachte an John Greys Brief und Hauptmann Marsdens Augen und spürte einen bitteren, metallischen Geschmack tief in seiner Kehle.
    Auf Jamies Anweisung hin näherte sich das Boot ganz langsam der Anlegestelle, und alle Mann an Bord hielten gebannt nach Lebenszeichen Ausschau.
    »Es lebt hier niemand?«, fragte Jamie leise und beugte sich über Duffs Schulter, um die Gebäude suchend zu betrachten. »Keine Sklaven?«
    »Nein«, sagte Duff und zog ächzend an den Rudern. »Wylie benutzt die
Anlegestelle nicht mehr oft, weil er von seinem Haus aus eine neue Straße zur Hauptstraße nach Edenton gebaut hat.«
    Jamie warf Duff einen zynischen Blick zu.
    »Und wenn Wylie sie nicht benutzt, gibt es andere, die es tun, aye?«
    Roger konnte sehen, dass die Lage des Landeplatzes wie geschaffen für die Schmuggelei war: von der dem Festland zugekehrten Seite aus nicht zu sehen, von der Meerenge aus jedoch leicht zugänglich. Was er zunächst für eine Insel zu ihrer Rechten gehalten hatte, war in Wirklichkeit ein Labyrinth aus Sandbänken, das den Kanal, der zu Wylies Landeplatz führte, von der eigentlichen Meerenge trennte. Er konnte sehen, dass mindestens vier kleinere Kanäle in dieses

Weitere Kostenlose Bücher