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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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haben, was vor ihnen liegt, sei es Ruhm, oder sei es Gefahr, und dieser Zukunft dennoch entgegengehen.«
     
    Die Worte standen vor ihm auf der Seite, und doch hatte ich nicht das Gefühl, dass er sie vom Papier ablas, sondern von den Seiten seiner Erinnerung, aus dem offenen Buch seines Herzens.
    Die Tür schlug zu, und jetzt hörte ich Roger draußen rufen; die heisere Stimme warnend erhoben, rief er Jemmy etwas zu, und dann lachte er tief und halb erstickt, als Brianna etwas zu ihm sagte, ein hellerer Klang, der zu weit entfernt war, um die Worte zu verstehen.
    Dann entfernten sie sich, und bis auf das Rauschen des Windes in den Bäumen war alles still.
    »Die Tapfersten sind die, die die klarste Vorstellung haben. Nun, du musst es ja wissen, nicht wahr?«, sagte ich leise. Ich legte ihm die Hand auf die Schulter, dort wo sie auf seinen Hals traf. Ich zeichnete die kraftvollen Stränge seines Halses mit dem Daumen nach und betrachtete die Wurmwindungen auf der Buchseite. Er musste es wissen, genau wie ich, denn er hatte sein Wissen von mir.
    Er ließ das Buch nicht los, neigte aber den Kopf zur Seite, so dass seine Wange meine Hand streifte und sein dichtes Haar sanft und warm mein Handgelenk berührte.
    »Ah, nein«, sagte er. »Es ist schließlich nur dann tapfer, wenn man eine andere Wahl hat, oder?«
    Ich lachte, schluchzte und wischte mir mit dem Handgelenk über die Augen.
    »Und du meinst, du hast keine Wahl?«
    Er hielt ein paar Sekunden inne, dann schloss er das Buch, ohne es jedoch loszulassen.
    »Nein«, sagte er schließlich mit einem merkwürdigen Unterton. »Diesmal nicht.«
    Er drehte sich auf seinem Stuhl um und blickte aus dem Fenster. Das Einzige, was zu sehen war, war die große Rotfichte am Rand der Lichtung und der tiefe Schatten des Eichenhains, der dahinter lag, durchzogen von den wilden Brombeerranken, die aus dem Garten entwischt waren. Die geschwärzte Stelle, an der das flammende Kreuz gestanden hatte, war jetzt überwachsen und dicht mit wilder Gerste bedeckt.

    Die Luft regte sich, und ich erkannte, dass es doch nicht still war. Wir waren umgeben von den Klängen des Berges, von Vogelrufen und fernem Wasserrauschen - und es erschollen menschliche Stimmen, die sich auf ihren alltäglichen Runden murmelnd erhoben, hier ein Wort im Schweinestall, dort ein Ruf vom Abort. Und unter und über allem das Geräusch der Kinder, fernes Schreien und Kichern, das von der rastlosen Luft herbeigetragen wurde.
    »Da hast du wohl Recht«, sagte ich kurz darauf. Und so war es auch; diesmal blieb ihm keine Wahl, und dieses Wissen erfüllte mich mit einer Art Frieden. Was kam, würde kommen. Wir würden es meistern, so gut wir konnten, und hoffen, dass wir überlebten; das war alles. Wenn wir nicht überlebten - würden sie es vielleicht tun. Ich raffte sein Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und verschlang meine Finger darin. Sie klammerten sich an ihm fest wie an einem Ankertau.
    »Aber was ist mit all den anderen Entscheidungen?«, fragte ich ihn und blickte gemeinsam mit ihm über den leeren Hof hinaus in den Schatten des Waldes. »Die du getroffen hast und die dich hierher geführt haben? Sie waren dein Ernst - und verdammt tapfer, wenn du mich fragst.«
    Unter der Spitze meines Zeigefingers konnte ich die feine Linie seiner uralten Narbe spüren, die tief in den roten Haarwellen verborgen war. Er gab dem Zug meiner Hand nach und fuhr herum, um zu mir aufzusehen, so dass meine Hand jetzt sein Kinn umfasste.
    »Oh. Nun ja«, sagte er mit dem Hauch eines Lächelns. Seine Hand berührte die meine und verschlang meine Finger mit den seinen. »Das weißt du doch genau, oder, Sassenach?«
    Ich setzte mich dicht neben ihn, meine Hand auf seinem Bein, seine Hand auf der meinen. So saßen wir eine Weile da, Seite an Seite, und sahen den Regenwolken zu, die über den Fluss gerollt kamen wie Boten eines fernen Krieges. Und ob es nun freie Wahl war oder nicht, dachte ich, am Ende lief es möglicherweise doch auf dasselbe hinaus.
    Jamies Hand lag immer noch auf der meinen. Ihr Druck verstärkte sich ein wenig, und ich sah ihn an, doch seine Augen waren auf einen Punkt jenseits des Hofes gerichtet, jenseits der Berge und der fernen Wolken. Er drückte noch fester zu, und ich spürte, wie sich die Kanten meines Rings in meine Haut gruben.
    »Wenn einmal der Tag kommt, an dem wir getrennt werden«, sagte er leise und sah mich an, »und meine letzten Worte sind nicht >Ich liebe dich< ─ dann weißt du, dass es

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