Das Flüstern der Albträume
Klienten wie Dixon verteidigt hatte, waren die Ideale brüchig geworden. Inzwischen waren Albträume, in denen die Opfer ihrer Mandanten auftauchten, an die Stelle ihrer früheren Träume von Gerechtigkeit getreten.
Angie trank einen Schluck Ginger Ale und wandte sich vom Fenster ab. Charlotte Wellington hatte ihr versprochen, dass sie mehr Fälle von kostenlosem Rechtsbeistand würde übernehmen können, sobald der Fall Dixon einmal abgeschlossen war. Vielleicht konnte sie sich jetzt wieder der Art Recht zuwenden, für die sie sich einmal begeistert hatte.
Sie nahm das Ginger Ale mit in die Dusche und stellte es auf ein kleines, gekacheltes Wandbord, bevor sie den Wasserstrahl anstellte. Sie schloss die Augen, hielt das Gesicht ins heiße Wasser und ließ es über ihre blasse Haut strömen. Sie blieb lange unter der Dusche stehen, bevor sie den Hahn abdrehte und nach einem Handtuch griff. Sie trocknete ihren schlanken Körper ab und rubbelte ihr schulterlanges, blondes Haar mit dem Frotteehandtuch trocken. Mascara verlieh ihren blassblauen Augen mehr Ausdruck, und ein bisschen Rouge gab ihren Wangen Farbe. Sie wählte eine Seidenbluse, eine dunkle Hose und vernünftige, flache Schuhe. An ihrem Hals baumelte ein zierliches goldenes Kruzifix.
Sie nahm Handtasche und Brieftasche, verließ das Haus und eilte zu ihrem Wagen. Als sie rückwärts von ihrem Stellplatz fuhr, klingelte ihr Handy. Das Display verriet ihr, dass es die Kanzlei war.
Sie ging dran. »Angie Carlson.«
»Meine Liebe, hier ist Iris.« Iris Stanford leitete das Sekretariat von Wellington und James. Eine Mischung aus Anwaltsgehilfin, Chefsekretärin und Mutter, und sorgte für eine reibungslose Organisation. Im Moment waren die beiden Inhaberinnen, Charlotte Wellington und Siena James, geschäftlich verreist. Nur Angie hielt die Stellung und musste daher alle Gespräche annehmen. »Da war ein Anruf für Sie von Ihrem Klienten Lenny Danvers. Er ist mal wieder verhaftet worden. Er hat die Kaution bezahlt, aber er will Sie sprechen.«
Angie sah auf die Uhr. Lenny kannte alle Kautionsvermittler, die die Nacht hindurch arbeiteten. »Er will mich jedes Mal sehen.« Noch so eine Münze, die ihren Glanz verloren hatte. Dieb, Junkie, Kleinkrimineller.
»Er sagt, es sei wichtig.«
»Es ist immer wichtig.« Wieder sah sie auf die Uhr. »Will er, dass ich ihn verteidige?«
»Von einer Verteidigung hat er nichts gesagt. Er meinte, er habe Informationen zu einer laufenden Mordermittlung.«
»Das ist mal was Neues.« Vor zwei Monaten hatte er einen Herzanfall vorgetäuscht, um seine Aussage hinauszuschieben. Bei einer anderen Gelegenheit hatte er unter Atemnot gelitten. »Wenn er nicht meinen Rechtsbeistand will, lassen Sie schmoren. Ich habe anderes zu tun.«
»Wie Sie meinen.«
Garrison und Malcolm waren fast die ganze Nacht am Tatort gewesen. Sie hatten alle Überlebenden des Heims vernommen und sie dann gehen lassen, damit ein städtischer Bus sie zu einer anderen Einrichtung bringen konnte.
Malcolm rieb sich den Nacken, während der Bus mit den Heimbewohnern abfuhr. »Außer Ace hat niemand den Mann mit der Feuerflasche gesehen.«
Garrison hatte auf eine Bestätigung der Aussage gehofft. »Ja, leider.«
Im Laufe der Nacht waren Aces Erinnerungen immer vager geworden, und er hatte sich mit den Details zunehmend schwer getan. Eine Suchaktion in den umgebenden Wohnhäusern hatte keine Kamera zutage gefördert. Es gab keine »Augen«, die das Wohnheim beobachteten.
Garrison steckte die Hände in die Taschen und starrte in die kalte Asche des verbrannten Hauses. »Laut Macy ist das Feuer an der Eingangstür ausgebrochen. Sie hat Spuren von Brandbeschleuniger gefunden, wahrscheinlich Benzin. Das passt zu dem, was Ace erzählt hat.«
Malcolm zuckte die Schultern. »Einfach, aber wirksam.«
Die Spurensicherung hatte den größten Teil des Gartens abgeriegelt und ihn nach Spuren abgesucht. Sie hatten das Gelände fotografiert, Zeichnungen angefertigt und mehrere Gegenstände sichergestellt – Lebensmittelverpackungen, einen halb aufgegessenen Apfel und Dutzende Zigarettenstummel. Doch als Garrison sich das Bild der Leiche ins Gedächtnis rief und an die Umsicht dachte, mit der sie im Garten abgelegt worden war, bezweifelte er, dass der Mörder so fahrlässig gewesen sein könnte, DNA -Spuren zu hinterlassen. Eine Frau zu entführen und sie mehrere Tage lang gefangen zu halten, erforderte Zeit und Planung. »Hat die Pathologin schon angerufen?«
»Vor
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