Das Flüstern der Albträume
heimzugehen.«
King zog seinen Gürtel fest, als wollte er sich zum Kampf bereit machen. »Verdammt, Eva. Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist.«
»Ich habe das ganze Drama verpasst.«
Er hob eine Braue. »Du siehst aus, als hättest du letzte Nacht nicht mehr als fünf Minuten geschlafen.«
»So ungefähr.«
»Kein Wunder, nach allem, was geschehen ist.«
Letzte Nacht war der Albtraum wiedergekommen und hatte sie um zwei Uhr früh geweckt. Ihr Nachthemd war bis auf das Laken durchgeschwitzt gewesen, und sie hatte Handtücher darauf legen müssen, damit sie weiterschlafen konnte. Nur dass sie kaum geschlafen hatte. »Stimmt wohl.«
King wohnte in einer bescheidenen Zweizimmerwohnung über dem Restaurant. Anfangs, als er ihr das Zimmer im Dachgeschoss angeboten hatte, hatten bei ihr sämtliche Alarmglocken geschrillt. Niemand gab einem jemals etwas gratis. Alles im Leben hatte seinen Preis. Sie hatte eingewilligt, doch in der ersten Woche hatte sie einen Schrank von innen vor ihre Tür geschoben. Irgendwann, als er wie üblich zu Bett gegangen war und keine Geräusche mehr aus seiner Wohnung kamen, hatte sie damit aufgehört.
»Was mich angeht, ich falle ins Koma, sobald ich im Bett liege. Außer wenn du die Möbel umstellst. Oder wenn Bobby im Haus herumpoltert und nach Essen sucht.« Er zog die Jacke aus und legte sie beiseite. »Was hat er denn in der Gasse gemacht?«
»Das hast du mitbekommen?«
»War kaum zu überhören. Ich wollte gerade runtergehen. Da habe ich gehört, dass du gekommen bist. Klang so, als hättest du alles unter Kontrolle.«
»Größtenteils.« Eva schob die Hände in die Hosentaschen und deutete mit dem Kopf auf die Kartoffeln. »Ist das alles, was du gekauft hast?«
»Nee, ich hab noch ein paar Säcke, aber die werden geliefert. Ein neuer Bauer auf dem Markt, der versucht, die Konkurrenz auszustechen.«
»Prima. Und wann kommt er?« Eva nahm die Teetasse in beide Hände und trank einen Schluck.
»So um zehn.«
»Ich hab übrigens noch eine Neuigkeit für dich.«
King atmete seufzend aus. »Was denn?«
»Guck nicht so, als hätte ich was in die Luft gejagt.«
Er runzelte die Stirn. »Hast du das denn?«
»Nein. Bobby hat ein Kätzchen gefunden.«
»Ein was?«
»Ein Kätzchen. Er ist rausgegangen, um dem Tier was zu fressen zu bringen.«
King massierte sich den Nacken. »Und ich nehme an, du hast ihm erlaubt, es zu behalten.«
»Zunächst mal wird der Junge Hilfe beim Einfangen brauchen. Das Vieh lebt auf der Straße.«
Wieder rieb King sich den Nacken. »Was zum Teufel soll ich mit einer wilden Katze?«
»Sieh es mal so: Bobby macht es genau wie du.«
»Was soll das denn heißen?«
»Er kümmert sich um Streuner. Ganz der Vater.«
King errötete leicht. »Du schmierst mir Honig um den Bart.«
Sie grinste. »Ich tue mein Bestes.«
»Verdammt, Eva.«
»Wenn du ihn die Katze behalten lässt, mach ich drei Monate lang die Abrechnungen.«
King grinste. »Du fängst wohl an, den Kleinen zu mögen.«
»Das habe ich nicht gesagt«, brummte sie. »Ich biete nur meine Hilfe an.«
King seufzte. »Na gut. Die Katze darf hierbleiben. Vorausgesetzt, wir schaffen es, sie einzufangen.«
Eva gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Du bist der Beste, weißt du das?«
Kings Wangen färbten sich schon wieder leicht rosa. »Ich muss Bobby wecken und für die Schule fertigmachen. Er schreibt heute einen Test.«
Eva betrachtete King und fragte sich nicht zum ersten Mal, was diesen Mann antrieb. »Warum hast du das getan? Warum hast du mir und dem Jungen geholfen?«
»Warum nicht? Wir stecken doch alle mal in der Klemme.«
»Nur wenige Leute geben sich so viel Mühe, King.«
»Ich bin eben ein verflucht netter Kerl«, brummte er. »Jetzt lass gut sein.« Die scharfen Falten in seinem Gesicht glätteten sich. »Was hast du heute vor?«
Sie bemerkte seinen Unmut und beschloss, nicht länger auf dem Thema herumzureiten. »Ich will noch mal zum Heim.«
»Wieso?«
»Ich will wissen, was passiert ist.« Auf dem Gelände würde es zwar immer noch von Polizisten wimmeln, aber nach einer ruhelosen Nacht voller Träume, die sie an eine Zeit erinnert hatten, in der sie so hilflos gewesen war, fühlte sie sich verpflichtet zurückzukehren.
»Weiß man, wer das Feuer gelegt hat?« In den letzten sechs Monaten war King ihr mehr ein Vater gewesen als ihr leiblicher Vater es jemals gewesen war.
»Ich glaube nicht, aber ich will es herausfinden.«
»Sei nur vorsichtig. Du bist
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