Das Flüstern der Albträume
bereit sein, die Konsequenzen zu tragen.
»Verschwinden Sie«, sagte Garrison.
In Donovans Augen war die Gereiztheit des Detectives ein gutes Zeichen. Polizisten wurden dann ungehalten, wenn sie etwas verheimlichen wollten. »Können Sie mir nicht ein paar Fragen beantworten? Kommen Sie schon. Vielleicht kann ich Ihnen ja auch irgendwann mal einen Gefallen tun.«
»Nein.«
»Wie viele Menschen sind gestorben?«
»Mein Büro gibt im Laufe des Tages eine Presseerklärung heraus.«
»Keine kleine Vorschau?«
»Nein.«
Donovan schob die Hände tiefer in die Taschen. »Ich habe gehört, das Haus war eine Art Übergangswohnheim. Haben Sie schon mit dem Leiter geredet?«
»Lassen Sie uns unsere Arbeit machen, Donovan.« Garrison und Kier wandten sich ab und gingen.
»Ein kleines Vögelchen hat mir gezwitschert, dass das Opfer verstümmelt wurde. Ist das post mortem passiert?« Er hätte den alten Fall erwähnen können, an dem er damals gearbeitet hatte, aber die Vorstellung, Garrison zu helfen, gefiel ihm nicht.
Die beiden Detectives blieben stehen. Garrison drehte sich um, offenbar nicht einmal mehr zu gespielter Freundlichkeit in der Lage.
Bingo.
Wie Garrison so auf ihn zukam, musste Donovan unwillkürlich an einen Berufsboxer denken, der gerade die Handschuhe auszog. »Hat das Vögelchen einen Namen?«
Reflexartig wäre er beinahe einen Schritt rückwärtsgegangen. »Kann ich nicht sagen. Sie wissen, dass ich meine Informanten schützen muss.«
Garrison starrte ihn auf eine Art an, die einschüchternd wirken sollte, hinzu kam noch seine Körpergröße. Donovan bemühte sich, gelassen zu bleiben.
»Ich habe recht, was die Verstümmelung angeht, oder?«, insistierte er.
»Da hat Ihnen jemand einen Bären aufgebunden, Donovan. Suchen Sie sich eine richtige Story.«
Sein Instinkt sagte Donovan, dass er einen Fisch an der Angel hatte. Einen Riesenfisch. »Ich habe schon eine Story, und zwar eine gewaltige.«
Garrisons und Kiers Mienen verrieten heftigen Zorn.
Donovan war klug genug, zu wissen, wann er seine Verluste begrenzen musste. Anders als sein Partner hatte Garrison sein Temperament unter Kontrolle, aber Kier galt als aufbrausend. »Rufen Sie mich an, wenn Sie etwas herausfinden?«
Garrison blinzelte. »Aber klar doch, Kumpel. Ich hab Sie natürlich in meiner Kurzwahlliste.«
»Sarkasmus ist die primitivste Form von Humor, Detective.«
»Ich habe nie behauptet, besonders schlau zu sein.« Es lag ein drohender Unterton in seiner Stimme.
Donovan verkniff sich ein Lächeln. Er war im Moment nicht sonderlich scharf auf eine Konfrontation mit Garrison. Während er zum Wagen zurückkehrte und sich hinters Steuer setzte, ging er im Kopf die Dinge durch, die er erledigen musste. Er drückte den Zigarettenanzünder.
Warum hatte man hier eine Leiche abgelegt? Und warum das Feuer? Manch einer wäre sicher zu der Überzeugung gelangt, dass die Verbindung zwischen den beiden Storys nur Zufall war. Aber das war ein Irrtum. Irgendwie hatten sie miteinander zu tun.
Der Zigarettenanzünder sprang heraus, und Donovan drückte die heiße Spitze an seine Zigarette. Der Tabak glühte auf und qualmte, dann steckte Donovan den Anzünder wieder zurück.
Er zog an der Zigarette, klappte sein Handy auf und wählte eine Nummer.
»Was zum Teufel willst du, Donovan?«, ertönte eine barsche Stimme nach dem zweiten Klingeln.
Die Rufnummernerkennung war für ihn nicht immer ein Segen. »Du musst jemanden für mich finden.«
»Wen?«
»Eva Rayburn.«
»Zahlst du auch pünktlich?«
»Ich schwör’s.«
Schweigen, dann ein Seufzen. »Gib mir alles, was du hast.«
Donovan grinste und gab dem Privatdetektiv die Einzelheiten durch.
»Könnte ein bisschen dauern.«
»Mir ist egal, wo du überall gräbst, aber du musst sie finden.«
»Hast du die letzte bekannte Adresse?«
»Justizvollzugsanstalt Virginia.«
»Wie lange ist sie schon draußen?«
»Ein Jahr, vielleicht auch weniger.«
»Ich schau mal, was ich tun kann.«
4
Dienstag, 4. April, 7:00 Uhr
Als Angie Carlson die Augen öffnete, wurde ihr schlagartig speiübel. Sie lag auf dem Rücken in ihrem Bett, starrte an die weiße Zimmerdecke, zählte bis zehn und atmete langsam ein und aus. Vorsichtig, als handelte es sich um antikes Kristallglas, hob sie den Kopf. Sofort pochte es in ihren Schläfen, und ihr Magen zog sich zusammen. Sie ließ den Kopf wieder auf das Kissen fallen und murmelte einen Fluch. Zu viele Gläser Wein am gestrigen Abend zum Essen vor
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