Das Flüstern der Albträume
Nachbar öffnete die Tür. Ein alter Mann, kahlköpfig, dunkelhäutig, in einem Jogginganzug.
»Alles in Ordnung, Ms Hall?«, fragte er.
Kristen rang ihren eisigen Zügen ein Lächeln ab. »Alles bestens, Mr Gayton.«
Sein wachsamer Blick schoss zwischen Kristen und Eva hin und her, und als er an Evas ausgefranster Jeans und ihrem T-Shirt hängen blieb, verhärtete er sich. »Ich rufe die Cops.«
»Nein, nicht!«, sagte Kristen schnell. Zum ersten Mal sah Eva jemanden vor sich, der die Polizei mehr fürchtete als sie selbst. Sie hatte offenbar ins Schwarze getroffen.
Als der alte Mann wieder in seiner Wohnung verschwunden war, zischte Kristen: »Verschwinde endlich aus meinem Leben. Und wenn du irgendjemandem auch nur ein Sterbenswörtchen verrätst, lasse ich dich von meinem Anwalt fertigmachen.«
»Jemand bringt Leute um, die wir kennen. Jemand brennt ihnen einen vierzackigen Stern in die Haut.«
Kristen zog die Augenbrauen hoch. »Bist du dieser Jemand?«
»Mein Gedächtnis und mein Denkvermögen sind diesmal nicht durch Drogen und Schmerzen getrübt. Ich sehe absolut klar. Die Frage ist vielmehr, ob der Mörder vor mir steht.«
»Bleib mir vom Leib, sonst wirst du es schon merken.«
Eva schüttelte den Kopf. »Sei vorsichtig, Kristen. Zwei der drei Frauen, die gegen mich ausgesagt haben, sind tot.«
Wut flackerte in Kristens Blick auf. »Soll das eine Drohung sein?«
»Nein. Ich zeige dir nur das Muster auf, wie damals im College. Weißt du noch, wie gut ich darin war, Prüfungsfragen zu erraten? Ich sehe ein Muster, und du und ich sind Teile davon.«
»Halt dich von mir fern.« Kristen stürmte zurück in ihre Wohnung.
Eine ganze Weile stand Eva reglos da und umklammerte den Gurt ihres Rucksacks so fest, dass ihr die Finger wehtaten. »Verlass dich nicht darauf.«
Garrison hielt eine Stunde später vor der Villa der Familie Cross. Die Backsteinfassade und die gediegenen, vorspringenden Fenster verliehen dem in den 1930er Jahren erbauten Haus ein düsteres, altmodisches Aussehen. Eine massive Eingangstür mit schmiedeeisernem Griff und Türklopfer trug zu dem gesetzten Eindruck bei.
Garrison klingelte und musste nur wenige Sekunden warten, bis ein Dienstmädchen die Haustür öffnete. Er streckte ihr seine Marke entgegen. »Ich bin Detective Garrison. Ist Mr Micah Cross zu sprechen?«
Die meisten Menschen reagierten bestürzt, wenn er auf ihrer Schwelle stand. Die Leute hatten einfach nicht gerne mit der Polizei zu tun. Doch das Dienstmädchen schien nicht sonderlich bestürzt zu sein. »Bitte kommen Sie herein. Ich sehe nach, ob er zu sprechen ist.«
Garrison wurde in einen Raum geführt, der mit antiken Möbeln, wertvoll aussehenden Kunstgegenständen und Teppichen, die mehr als ein Jahresgehalt von ihm gekostet haben mussten, eingerichtet war. Das Zimmer wirkte gediegen und erinnerte ihn an zweitklassige Filme aus den 1950er Jahren.
Garrison trat an den Kamin, über dem ein Porträt von Darius Cross hing. Seine Züge waren streng, sein Blick hart. Auf dem Kaminsims stand eine Reihe Fotos, die meisten von Micah und Josiah, offenbar bereits vor mindestens zwanzig Jahren aufgenommen. Als er die beinahe identischen Gesichter betrachtete, wurde ihm klar, dass sie Zwillinge gewesen waren, was er bisher nicht gewusst hatte.
Micah Cross betrat den Raum. Er war groß und schlank, hatte einen blassen Teint und dunkelbraunes Haar. Die Brille hob seine blauen Augen hervor und betonte seine eingefallenen Wangen. Die Fotos von Josiah, die sich in Evas Akte befanden, zeigten einen Collegestudenten, keinen Mann von Anfang dreißig. Doch selbst als junger Mann hatte Josiah durch seine düstere Härte älter gewirkt, als Micah jetzt wirkte.
»Detective Garrison?«
»Ja.« Er zückte seine Dienstmarke und hielt sie so, dass Micah Cross sie sich ansehen konnte. »Danke, dass Sie mich empfangen.«
Cross löste den Blick von der Marke. »Was kann ich für Sie tun?«
»Wir untersuchen den Mord an Sara Miller. Ich glaube, Sie hatten im Zuge einer Werbekampagne der Agentur Fairchild mit ihr zu tun.«
Micah runzelte die Stirn. »Ms Miller ist tot?«
»Ja, Sir.«.
»Wie ist das passiert?« Seine Stimme klang rau und belegt.
»Ich kann Ihnen keine weiteren Details nennen.«
»Ich hatte keine Ahnung.« Auf Micahs Gesicht spiegelten sich Überraschung und Mitgefühl.
Garrison betrachtete ihn und versuchte zu ergründen, wie aufrichtig er war. »Es tut mir leid, Ihnen das mitteilen zu müssen.«
Micah fuhr
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