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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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auch Euch ein, mit mir nach
Einbruch der Dunkelheit vor die Stadtmauer zu gehen, damit Ihr Euch selbst davon überzeugen könnt.«
    Euchor lachte, doch es klang gezwungen, und aus seinem roten, teigigen Gesicht wich jede Farbe. »Vielleicht ein anderes Mal.«
    Der Tätowierte Mann nickte.
    Euchor musterte ihn eine lange Zeit, als versuche er, ein Urteil zu fällen. »Nun, was ist?«, fragte er schließlich. »Bist du derjenige, oder nicht?«
    »Euer Gnaden?«, fragte der Tätowierte Mann scheinbar ahnungslos.
    »Der Erlöser«, führte der Herzog aus.
    »Ganz gewiss nicht«, spottete Fürsorger Ronnell, aber der Herzog machte eine ungeduldige Geste, worauf er prompt verstummte.
    »Bist du derjenige?«, wiederholte er.
    »Nein«, antwortete der Tätowierte Mann. »Der Erlöser ist nichts weiter als eine Legende, mehr nicht.« Ronnell sah aus als wolle er protestieren, doch nach einem Blick auf den Herzog hielt er den Mund. »Ich bin nur ein Mann, der Siegel wiederentdeckt hat, die lange Zeit als verloren galten.«
    »Kampfsiegel«, flüsterte Malcum mit glänzenden Augen. Außer Ragen und dem Tätowierten Mann war er der Einzige im Raum, der den Horclingen in der Nacht getrotzt hatte, und sein Interesse war nicht verwunderlich. Die Kuriergilde würde vermutlich jeden Preis zahlen, um ihre Männer mit Speeren und Pfeilen auszurüsten, die mit den alten Kampfzeichen versehen waren.
    »Und wie bist du auf diese Siegel gestoßen?«, drängte Euchor.
    »In den Ruinen zwischen den Städten liegen mancherlei Schätze verborgen«, erwiderte der Tätowierte Mann.
    »Wo?«, hakte Malcum nach. Der Tätowierte Mann schmunzelte nur und ließ sie zappeln.
    »Genug!« Euchor wedelte gereizt mit der Hand. »Wie viel Gold verlangst du für deine Siegel?«

    Der Tätowierte Mann schüttelte den Kopf. »Gegen Gold verkaufe ich sie nicht.«
    Euchor zog die Brauen zusammen. »Ich könnte meinen Wachen befehlen, dich vom Gegenteil zu überzeugen«, warnte er und deutete mit dem Kinn auf die beiden Gardisten an der Tür.
    Der Tätowierte Mann lächelte. »Dann hättet ihr zwei Wachen weniger.«
    »Mag sein«, sinnierte der Herzog, »aber Männer kann ich entbehren. Ich habe genug Wachposten, die dich am Boden festhalten können, während meine Bannzeichner die Siegel auf deiner Haut kopieren.«
    »Keine meiner Tätowierungen wird hilfreich sein, wenn es darum geht, einen Speer oder irgendeine andere Waffe zu stärken«, log der Tätowierte Mann. »Die Symbole befinden sich hier«, er tippte an seine durch die Kapuze verhüllte Schläfe, »und in ganz Miln gibt es nicht genug Gardisten, um sie mir mit Gewalt zu entreißen.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher«, drohte Euchor, »aber ich kann sehen, dass dir ein Preis vorschwebt, also nenne ihn, und die Angelegenheit ist erledigt.«
    »Das Wichtigste zuerst«, erwiderte der Tätowierte Mann und reichte Rhinebecks Gesuch an Jone weiter. »Herzog Rhinebeck wünscht eine Allianz, um die krasianischen Eindringlinge zu vertreiben, die Rizon eingenommen haben.«
    »Natürlich will Rhinebeck sich verbünden«, schnaubte Euchor. »Er sitzt hinter hölzernen Palisaden in grünen Ländern, die die Wüstenratten für sich haben wollen. Aber welchen Grund hätte ich, in den Kampf zu ziehen?«
    »Er beruft sich auf den Pakt«, erklärte der Tätowierte Mann.
    Euchor wartete, bis Jone ihm den Brief brachte, riss ihn ihr aus der Hand und überflog rasch den Inhalt. Dann zerknitterte er ihn wütend in der geballten Faust.
    »Rhinebeck hat den Pakt bereits gebrochen«, knurrte er, »als er versuchte, Flussbrücke an seinem Ufer wiederaufzubauen. Zuerst
soll er die Zolleinnahmen der letzten fünfzehn Jahre an mich zurückzahlen, dann bin ich vielleicht bereit, mir Gedanken um seine Stadt zu machen.«
    »Euer Gnaden!« Der Tätowierte Mann musste sich beherrschen, um nicht auf das Podest zu springen und Euchor zu würgen. »Die Lösung dieses Problems kann auf einen anderen Zeitpunkt verschoben werden. Wir stehen einer Bedrohung gegenüber, die weit über dieses schäbige Geplänkel hinausgeht.«
    »Schäbig?!«, donnerte der Herzog. Ragen schüttelte den Kopf, und sofort bereute der Tätowierte Mann seine Wortwahl. Im Umgang mit gekrönten Häuptern hatte er noch nie so viel Geschick gezeigt wie sein Mentor.
    »Die Krasianer haben es nicht auf Zölle abgesehen, Euer Gnaden«, betonte er eindringlich. »Sie kommen, um zu töten und zu schänden, bis sie ihrer Armee das gesamte Nordland einverleibt haben. Das

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