Das Flüstern der Toten (German Edition)
mitgehen würde. James und ich haben uns danach selbst ein bisschen umgesehen.« Er legte sein Sandwich weg. »Wir kamen dahinter, für wen der Typ arbeitete, und schlichen uns in eins von Prices Lagerhäusern. Wie bei James Bond, wissen Sie? Wir hatten ja keine Ahnung, was da wirklich los war.«
»Dann wurdet ihr geschnappt, konntet aber entkommen.«
»Schon, aber James hat’s übel erwischt. Wir rannten davon und wurden dabei getrennt. Zwei Typen waren hinter mir her. Große Kerle. Ich hab noch nie so viel Schiss gehabt.«
Ich setzte mich neben Teddy und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
Er biss noch mal ab. »Dann habe ich gehört, was Pater Federico macht – «
»Was denn?«
»Dass er Ausreißern hilft und so.«
»Ja, stimmt«, nickte ich. »Also bist du zu ihm?«
»Ja. Komisch war bloß, dass er genau über Benny Price Bescheid wusste. Er hat mich in seinem Lagerhaus versteckt.«
»Moment mal, dasselbe Lagerhaus – «
»Ja. Übrigens, noch mal Entschuldigung wegen … Sie wissen schon.«
Ah, endlich eine Chance zu erfahren, wohin an dem Abend alle verschwunden waren. »Sag mal, in dem Lagerhaus waren zwei Kerle, die Kisten packten, aber als ich unten ankam, waren alle weg. Hast du eine Ahnung, wo die hin sind?«
Teddy lächelte. »Das Lagerhaus hat einen Keller, der Eingang ist so gut wie unmöglich zu finden. Wir haben uns da unten versteckt, bis alle verschwunden waren.«
Schlau. »Dann hat Pater Federico die Jugendlichen, hinter denen Price her war, zu verstecken versucht.«
»Genau.«
»Warum ist er nicht zur Polizei gegangen?«
»Ist er ja. Die meinten, sie würden gegen Price ermitteln. Doch währenddessen verschwanden immer mehr Jugendliche. Haben Sie die Vermisstenplakate gesehen?«
Hatte ich.
»Dann hieß es, Pater Federico hätte nicht genug in der Hand, um zu beweisen, dass Price hinter irgendeiner Entführung steckte.«
»Du warst also zwei Jahre in seinem Lagerhaus?«
Er würgte einen Bissen hinunter und nahm einen Schluck Milch. »Nein, Sie müssen verstehen, Pater Federico ist ein zupackender Kerl. Als die Bullen nichts unternehmen konnten, hat er die Sache selbst in die Hand genommen. Er hat Wachen aufgestellt, einen Suchtrupp und eine Fluchthelferorganisation auf die Beine gestellt, wie die Underground Railroad damals im Bürgerkrieg.«
Ich verkniff mir meine Verblüffung und wartete, dass Teddy weitererzählte.
Nachdem er sich den letzten Bissen in den Mund geschoben hatte, sagte er: »Alle möglichen Leute helfen bei dieser Sache mit. Ich auch. Mein Bereich ist Panama.«
»Panama?« Ich war komplett verdattert. Die Sache reichte offenbar viel weiter, als ich angenommen hatte.
»Ja. Es gibt Frachtpapiere, Rechnungen, sogar Käuferlisten. Die sind überall aktiv. Aber Price hat ständig nach mir Ausschau gehalten, sodass Pater Federico schwer aufpassen musste, damit mich keiner findet.«
»Dann hat Carlos Rivera für Pater Federico gearbeitet?«
»Zuerst nicht. Er war Späher. Der Späher, der James aufzugabeln versucht hat. Ich glaube, als James umgebracht wurde, hatte Carlos die Nase voll. Er ging zu Pater Federico, und die beiden schlossen einen Handel. Wenn es sein muss, kann Pater Federico sehr überzeugend sein. Wie steht’s jetzt mit Kaffee?«
Richtig. Ich fragte mich, wieso Carlos nicht einfach zur Polizei gegangen war. Vielleicht, weil er dann sofort zur Zielscheibe geworden wäre. Zur Polizei zu gehen ist für einen Kriminellen manchmal glatter Selbstmord.
»Du warst also in Panama?«
»Ja, ich habe dort sieben Kinder gerettet, falls Sie es genau wissen wollen«, verkündete er stolz. »Oder vielmehr habe ich geholfen, sieben Kinder zu retten.«
»Und du hattest keine Ahnung, was mit deinem Onkel war?«
»Doch, ich wusste Bescheid. Pater Federico hat mich auf dem Laufenden gehalten, aber wir dachten immer, die Anklage gegen Onkel Mark würde fallen gelassen. Ich meine, er hat doch nichts angestellt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er wirklich verurteilt würde. Wir wollten unser Vorhaben nicht gefährden, indem wir Onkel Mark halfen, aber als er dann doch verurteilt wurde, blieb uns nichts anderes übrig. Ich kann’s immer noch nicht glauben. Ich meine, wie soll James’ Blut denn auf Onkel Marks Schuhe gekommen sein?«
»Dafür habe ich eine Erklärung«, sagte ich. »Es hatte geregnet, dein Onkel brachte an dem Abend den Müll runter, dabei muss er in eine Lache von James’ Blut getreten sein. Ihn selbst hat er hinter dem Schuppen nicht
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