Das Flüstern der Toten (German Edition)
Haufen Verhaftungen vorzuweisen.«
»Toll«, sagte ich eingeschnappt. Was nicht heißen sollte, dass ich nicht mit Garrett fertig werden würde. Ich hatte bloß was zu meckern. Aber bevor ich mich aufmachte, musste ich erst mal die Sache mit Barber klarziehen. Elizabeth, Sussman und ich schlenderten zum Ambulanzwagen, während der Leichenbeschauer noch mit Sergeant Yokel sprach. Barber steckte derweil die Nase aus dem Leichensack. »Ich mein’s ernst, Sportsfreund – Sie müssen aus Ihrem Körper raus. Das macht mich noch verrückt.«
Er richtete sich so weit auf, dass ich ihm ins Gesicht sehen konnte. »Das ist mein Körper, verflixt noch mal. Ich kenne die Gesetze, und neun von zehn regeln Eigentumsfragen. Und was Sie anbetrifft«, sagte er und streckte einen Finger aus dem Sack, »sollten Sie hier nicht unsere Fürsprecherin sein? Uns in unserer größten Not zur Seite stehen? Ist das nicht Ihre Aufgabe?«
»Nur, wenn’s sich nicht vermeiden lässt.«
»Nun, dann habe ich zwei Worte für Sie: unterlassene Hilfeleistung«, sagte er in anklagendem Ton.
Seufzend drehte ich mich zu Sussman um. »Nie kommt mal einer damit klar, für den ich kein Verständnis habe. Können Sie ihn vielleicht zur Vernunft bringen?«
Garrett stand neben seinem Truck und brodelte innerlich, weil ich ihm nicht wie ein winselndes Hündchen gefolgt war.
»Davidson!«, brüllte er über die Motorhaube.
»Swopes!«, schoss ich zurück und zog damit die altehrwürdige Tradition durch den Kakao, Kameraden beim Nachnamen zu rufen. Dann sah ich mich nach meinen Anwälten um. »Wir treffen uns später in meinem Büro.«
Sussman nickte und funkelte Mister Ich-bin-nicht-tot drohend an.
Elizabeth ging neben mir her zu Garretts Truck. »Kann ich neben dem Kerl sitzen?«
Ich beehrte sie mit dem breitesten Grinsen, das ich hervorzaubern konnte. »Er gehört Ihnen.«
3
Klopf niemals an die Tür des Todes.
Zieh die Türglocke und lauf weg.
Das kann er auf den Tod nicht ausstehen.
– T-Shirt
Garrett brach eine Kaltpackung auf, schüttelte sie und warf sie mir zu, während er in die Central ausscherte. »Ihr Gesicht hängt schief.«
»Ich hatte gehofft, das merkt keiner.« Ich zwinkerte Elizabeth zu, die zwischen uns saß, was ich Garrett aber lieber nicht auf die Nase band. Manches blieb besser unerwähnt.
Garrett sah mich ärgerlich an. »Sie dachten, das würde keiner merken? Sie leben wohl in ihrer eigenen beschissenen Realität, was?«
»Verdammt«, sagte Elizabeth, »von verbaler Zurückhaltung hält er wohl gar nichts.«
»Sie gehen mir ziemlich auf die Nerven und können mich mal«, sagte ich. Zu Garrett, nicht zu Elizabeth.
Wenn man Charley Davidson heißt, bringt das gewisse Verpflichtungen mit sich. Man duldet zum Beispiel keine Widerworte. Lässt sich von niemandem was sagen. Und weckt bei Klienten ein Gefühl von Vertrautheit. Es kommt ihnen vor, als ob sie mich bereits kennen. Als würde ich Martha Washington heißen oder Ted Bundy.
Ich schaute in den Seitenspiegel nach dem Streifenwagen, der uns zu der Adresse folgte, wo Detective Robert Davidson einem anonymen Hinweis zufolge ein weiteres Opfer zu finden hoffte. Onkel Bob bekam jede Menge anonymer Hinweise. Und Garrett begann, eins und eins zusammenzuzählen.
»Sie sind also seine allwissende anonyme Quelle?«
Ich schnappte nach Luft. »Sagen Sie immer so gemeine Dinge? Obwohl mir allwissend eigentlich ganz gut gefällt.« Als Garrett an die Decke gehen wollte, stand ich ihm Rede und Antwort: »Ja, ich bin seine anonyme Quelle. Schon seit meinem fünften Lebensjahr.«
Er machte ein fassungsloses Gesicht. »Ihr Onkel hat Sie schon mit fünf zu Leichenfundorten mitgenommen?«
»Machen Sie sich nicht lächerlich. Das hätte Onkel Bob niemals gemacht, und das musste er auch gar nicht. Mein Vater war derjenige welcher.« Ich kicherte, als Garrett mich mit offenem Mund anstarrte. »War nur ein Witz. Ich musste zu keinem Tatort mit. Die Opfer haben auch so den Weg zu mir gefunden. Bin nämlich ganz schön helle.«
Er wandte sich ab und betrachtete das rosarot-orangefarbene Band des Sonnenaufgangs von New Mexico am Horizont. »Sie müssen verzeihen, wenn ich Ihnen das nicht abkaufe.«
»Äh, nein, ich verzeihe nicht.«
»Okay«, sagte er ärgerlich, »wenn das alles stimmt, können Sie mir sicher sagen, was meine Mutter bei Ihrer Beerdigung getragen hat.«
Super. So einer also. »Hören Sie, Ihre Mutter hat höchstwahrscheinlich einen anderen Weg eingeschlagen. Sie
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