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Das Flüstern der Toten (German Edition)

Das Flüstern der Toten (German Edition)

Titel: Das Flüstern der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darynda Jones
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Bloß dass es keine Wand war. Eine Geheimtür auf einen dunklen Gang schwang auf, der auf einer Seite von venezianischen Spiegeln gesäumt war. Durch die hatten wir freie Aussicht in sein Arbeitszimmer.
    Während ich mit Price rang, stürmte das Einsatzteam in den Raum, nahm den Leibwächter in den Schwitzkasten, dann suchten die Männer nach mir. Ich holte tief Luft, um einen Schrei loszulassen, als Price mich bereits den Gang entlangschleifte, wobei er seine Pranke nicht allzu sanft auf mein Gesicht presste. An schreien oder Luft holen war nicht mehr zu denken. Was Mist war. Denn Blau ist nicht gerade meine Lieblingsfarbe.
    Dann spürte ich Reyes. Sogar noch bevor ich ihn sah. Mich erfasste eine Hitzewelle, und direkt vor mir erschien er als dunkle, wirbelnde Rauchsäule, dicht und greifbar. Die Luft war mit einem Mal mit seinem Zorn getränkt, Wassermoleküle erreichten den Siedepunkt, auf meiner Haut prickelte es heiß. Panik schnürte mir die Kehle zu. Wie sollte ich das nächste gebrochene Rückgrat erklären?
    Da ich kaum herausschreien konnte, was ich dachte, allenfalls ein »Lass es, Junge!«, formulierte ich den Befehl im Geiste. Schließlich hatte er schon früher meine Gedanken gelesen. Vielleicht klappte das ja auch jetzt.
    Wag es nicht! , dachte ich, intensiv, um die Mauer seiner Wut zu durchdringen und meine Gefühle in seinem Kopf zur Geltung zu bringen.
    Das Sirren seiner Klinge brach ab, und Reyes hielt inne. Obwohl ich sein Gesicht nicht erkennen konnte, spürte ich, dass er mich unter seiner Kapuze anstarrte.
    Denk nicht mal dran, Reyes Farrow !
    Er beugte sich knurrend über uns, doch ich hielt ihm stand. Mit weichen Knien und brennenden Lungen dachte ich: Wenn du’s tust, verpasse ich dir einen Arschtritt .
    Der Rauch wich zurück, offenbar verblüfft, dass ich ihm drohte. Doch darum konnte ich mich jetzt nicht scheren oder mir überlegen, wie ich die Drohung eigentlich in die Tat umsetzen sollte.
    Prices Hände zu umklammern führte auch zu nichts. Höchste Zeit für meinen inneren Ninja. Der erste Versuch von hoffentlich vielen bestand darin, meinem Peiniger gegen das Schienbein zu treten. Mit einem gut gezielten Tritt konnte man den kräftigsten Gegner flachlegen. Aber mit hohen Hacken? Vergiss es!
    Während sich meine Gedanken überschlugen, um den Tritt vorzubereiten und die anschließende Aktion zu planen, spürte ich einen grellen Schmerz vom Hals abwärts durch meine Wirbelsäule rasen, sah einen grellen, weißen Lichtblitz und hörte ein vernehmliches Knacken. Binnen eines Augenaufschlags wurde ich zu Pudding. Und in derselben Sekunde, in der mir die Sinne schwanden, erkannte ich, dass Price mir das Genick gebrochen hatte. Arschloch.
    Ich rechnete halb mit Fanfaren oder Engelschören oder sogar mit der Stimme meiner Mutter, die mich auf der anderen Seite willkommen hieß. Ich meine, ich war kein schlechter Mensch. Alles in allem. Ich würde bestimmt geradewegs zum Himmel fahren.
    Stattdessen hörte ich Wasser tropfen, in langen, regelmäßigen Abständen, wie ein Herz, das kaum mehr selbsttätig schlagen kann. Ich roch Erde. Und Chemikalien. Und ich schmeckte Blut.
    Sekunden später bemerkte ich, dass Reyes in der Nähe war. Ich spürte ihn. Seine Kraft. Seinen Zorn.
    Ich blinzelte, schlug die Augen auf und sah mich reglos um, für den Fall, dass auch Benny Price nicht weit war. Er sollte nicht mitbekommen, dass ich wach war, und womöglich beenden, was er angefangen hatte. Wir befanden uns in einer kleinen Abstellkammer. An den Schlackensteinwänden standen Regale mit Gerätschaften und Reinigungsmitteln. Auf einem kauerte Reyes wie ein Raubvogel und blickte zur offenen Tür hinaus, aber mehr um den Blickkontakt mit mir zu vermeiden.
    Alles klar, er war stocksauer. Zwar war er noch eingehüllt in den schwarzen Umhang, die Kapuze jedoch hatte er zurückgeschlagen, sodass Gesicht und Haarschopf sichtbar waren. Der Umhang umgab ihn wie ein Kranz. Reglos, abwartend. Wie seine Klinge. Er hatte die tödliche Waffe gezogen, hielt den Schaft fest im Griff, die Spitze berührte den Zementboden. Zum ersten Mal sah ich die Waffe richtig. Die Klinge war gerade wie bei einem Schwert, nur viel länger, die Ränder waren gebogen und hatten böse aussehende Widerhaken. Ich fühlte mich an zwei Dinge erinnert: an mittelalterliche Folterwerkzeuge und an sein Tattoo.
    »Ich lebe noch«, krächzte ich, als mir aufging, dass Price nicht bei uns in der Kammer weilte.
    »Aber es war knapp«, gab Reyes

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