Das Flüstern der Toten (German Edition)
Lane.«
Schade, ich dachte, er hätte mir geglaubt.
Price stand auf und nahm die Kamera. Sein ganzes Gehabe sollte bedrohlich wirken, herabsetzen und einschüchtern. Ich kannte eine Menge Frauen, die darauf hereingefallen wären. Ich gehörte allerdings nicht dazu.
Ich nahm ihm gegenüber Platz, er fuhr den LCD-Monitor hoch und spielte das auf der Kamera gespeicherte Video ab.
»Ich heiße Donna Wilson«, hörte ich mich von der anderen Seite sagen. Also, natürlich nicht von der anderen Seite.
»Ich habe dieses Video an zehn Adressaten verschickt, darunter an meinen Anwalt, eine Mitarbeiterin und an meine Fußpflegerin.« Fußpflegerin. Ich verkniff mir ein Kichern. »Wenn ich jeden Einzelnen dieser Leute heute nicht bis neun Uhr anrufe, übergeben sie das Band unverzüglich der Polizei. Ich habe in einem Schließfach stichhaltige Beweise dafür hinterlegt, dass Benny Price, Besitzer und Geschäftsführer der Patty Cake Clubs, ein Menschenhändler ist, der Kinder als Sklaven ins Ausland verkauft. Einer der zehn erwähnten Adressaten ist im Besitz des Schließfachschlüssels, den er, falls ich bis zum angegebenen Zeitpunkt nicht wieder zurück bin, augenblicklich der Polizei übergeben wird.«
Benny war einen Moment lang baff, dann schaltete er den Monitor ab und gab mir die Kamera zurück. Da ich nun offenbar seine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte, stürzte ich mich in meine Rolle. Ich atmete schwer, krallte die Finger um meine Handtasche – eine hinreißende Unterarmtasche, die ich mir von Cookie geborgt hatte – und sah ihn entschlossen, aber auch ein wenig unbedarft an.
Damit würde ich sicher nicht zum diesjährigen Lieblingsgast des Patty Cake Clubs avancieren. Obwohl Price sich nichts anmerken ließ, war er stocksauer. Er zwang sich, ruhig zu bleiben, und nahm wieder hinter seinem Schreibtisch Platz. »Und was für Beweise sollen das sein?«, fragte er mit einer Stimme wie Eiswasser.
Mein Blick schoss zu meiner Tasche und wieder zurück, in der Hoffnung, die Rolle der verfolgten Unschuld nicht maßlos zu überziehen. Ich musste überzeugend wirken, ohne mit der Tür ins Haus zu fallen.
»Mein Arbeitgeber, ein Rechtsanwalt, der vor wenigen Tagen erschossen wurde, gab mir einen USB-Stick. Er meinte, darauf sei alles, was wir brauchen, um Benny Price – Sie – ins Kittchen zu bringen.«
Price beruhigte sich. Seine Mundwinkel zuckten, und ich wusste, dass er den Datenträger hatte. Vielleicht war er ja so dämlich und –
Er öffnete die Schreibtischschublade und entnahm ihr einen USB-Stick. »Meinen Sie den?«
Bingo. Er war tatsächlich so dämlich. Während ich innerlich einen Freudentanz aufführte, geriet ich äußerlich in Panik. Angel und Sussman traten mit emporgereckten Daumen aus dem Raum hinter Price. Die Kamera zeichnete alles auf.
»Darf ich mir jetzt die Stripperinnen anschauen gehen?«, wollte Angel wissen.
Ich biss die Zähne zusammen, warf ihm einen kurzen Blick zu und schnappte munter weiter nach Luft. Price setzte das überlegene Grinsen eines Mafioso oder Pflegeheimdirektors auf, während Sussman zurückwich und ihn anfunkelte.
»Ach, was ich fast vergessen hätte«, sagte Angel. Damit hüpfte er zu mir, öffnete den obersten Knopf meiner Bluse und eröffnete Price und hoffentlich der Kamera damit eine prima Aussicht auf mein Dekolleté. Tatsächlich landete Prices Blick sofort im erotischen Bereich. Bei Gefahr und Will Robinson. Welch außerordentliche Ablenkung. Als er den Blick wieder hob, hatten sich wie durch Zauberhand ein paar meiner Haarsträhnen gelöst, die nun einfach so mein Gesicht einrahmten.
Ich schob nervös meine Brille hoch. »Ich versichere Ihnen, es ist nicht derselbe.« Und nachdem ich nachdenklich mit der Zunge über meine Lippen gefahren war, fügte ich hinzu: »Er gab mir einen USB-Stick … ich weiß, dass darauf … Er sagte, darauf seien Beweise. Verschlüsselt, aber … «
»Vielleicht hat er Ihnen ja den falschen gegeben«, bemerkte Price zuvorkommend.
»Nein, das ist unmöglich. Er hat … auf seinem Schreibtisch liegen ständig mehrere tausend Datenträger, aber … «
»Glauben Sie mir, Prachtstück, mein Mann hat den hier Ihrem Anwalt abgenommen. Sekunden nach seinem Ableben.«
Prachtstück? Wie bitte? Hielt er mich für ein Rennpferd?
Während ich tat, als würde ich hyperventilieren, stand Price auf, ging um seinen Schreibtisch herum und baute sich, dagegen gelehnt, vor mir auf. Sicher wollte er auf sein neuestes, sich vor ihm windendes
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