Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
Vom Netzwerk:
abergläubisch. Der Anblick der Sirene führte dazu, dass die Schiffsmannschaften, einschließlich der Kapitäne, völlig den Kopf verloren. Nur so konnten die Unglücke geschehen. Ein unachtsamer Moment genügt. Etwa fünfundsiebzig Menschen sind ums Leben gekommen. Überall spricht man über die Sirene von Sennen Cove.«
    »Aber was kann ich für Sie tun?«, erkundigte sich Holmes.
    Sir Jelbart zog eine säuerliche Miene und warf mir einen geringschätzigen Seitenblick zu. »Auch wenn Ihr Kollege beliebt, sich über mich lustig zu machen, weil er mich für abergläubisch hält, trifft das nicht zu. Ich glaube nicht an Gespenster. Ich bin Methodist, Sir, ein einfacher Mann mit einfachen Grundsätzen. Es gibt mit Sicherheit eine vernünftige Erklärung. Ich kann sie nur nicht finden.«
    Holmes nahm die Pfeife aus dem Mund, lehnte sich zurück, legte die Fingerspitzen aneinander und sah Sir Jelbart prüfend ins Gesicht. »Sie haben doch bestimmt eine Theorie, nicht wahr?«
    »Ich habe mich mit der Statistik der Schiffbrüche hier in der Gegend befasst. Ich bin der Meinung, es waren Strandräuber am Werk.«
    »Ihrer Schilderung«, mischte ich mich ein, »entnehme ich, dass Sennen Cove nicht so entlegen ist, dass Strandräuber unbemerkt agieren konnten. Es sei denn, die einheimische Bevölkerung hat sich mit ihnen verbündet.«
    »Weit gefehlt, Doktor«, erwiderte Sir Jelbart, »die Küste ist alles andere als überschaubar.«
    »Aber nach drei Schiffbrüchen würde man doch meinen, dass die Polizei in diesen Küstenbereich häufiger patrouilliert, oder nicht?«
    »Nein, das ist ja das Verteufelte! Die Gerüchte über die Sirene haben die Einheimischen derart in Angst und Schrecken versetzt, dass sich nach Einbruch der Dunkelheit niemand mehr an die Küste wagt, noch nicht einmal unser Prediger, Mr. Neal. Berichten zufolge sah sie in der Tat furchterregend aus, Sir: eine mindestens zwölf Fuß große Frauengestalt, splitternackt auf einem Felsen tanzend, der so steil ist, dass ihn kein Mensch zu erklimmen vermag. Mr. Neal begnügt sich damit, die Anwohner zu ermahnen, sich von der Küste fernzuhalten, damit sie nicht auch die Sirene erblicken und dasselbe Schicksal erleiden wie Lots Weib, als sie auf Sodom und Gomorrha zurückblickte.«
    »Tatsächlich?«, fragte Holmes nachdenklich. »Sie sagten doch, Ihr Bruder sei bei der Steuerbehörde. Haben Sie ihm Ihre Theorie unterbreitet?«
    »Selbstverständlich.«
    »Und was hat er dazu gesagt?«
    »Er ist anderer Meinung.«
    »Warum?«
    »Weil die Ladung eines Schiffes, das vor der Küste sinkt, nicht an Land gespült wird, sondern ebenfalls untergeht. Davon würden die Strandräuber nicht profitieren. Daher ist mein Bruder der Ansicht, man könne sie als Urheber der Katastrophen ausschließen.«
    »Das erscheint mir logisch«, bemerkte Holmes.
    »Vielleicht, aber die Alternative ist absurd. Es muss eine vernünftige Erklärung geben. Ich weigere mich, daran zu glauben, dass die Schiffe von einem Wesen aus der Geisterwelt ins Verderben gelockt wurden. Undenkbar! Deshalb habe ich Sie aufgesucht, Mr. Holmes. Sie glauben doch bestimmt nicht an übernatürliche Phänomene.«
    »Was ist das Übernatürliche anderes als die Manifestation eines Naturgesetzes, das wir noch nicht verstehen?«, entgegnete Holmes. »Aber sagen Sie mir doch, Sir Jelbart, wie war das Wetter, als die Schiffe untergingen?«
    »Das Wetter?«
    »Ich meine, war es stürmisch, gab es Nebel, starken Wellengang?«
    »Nein, ganz im Gegenteil. Es war jedes Mal klar und windstill. Sonst hätten es die Schiffsführer nicht riskiert, so dicht an den Tribbens vorbeizusegeln. Bei rauher Witterung meidet ein guter Seemann Hindernisse und nimmt dafür auch Umwege in Kauf.«
    »Hat Ihr Bruder, Hauptmann Trevossow, die Gegend schon in Augenschein genommen?«
    »Das hat er heute Nacht vor. Deshalb komme ich gerade jetzt zu Ihnen – ich fürchte um sein Leben. In dieser Nacht segelt die ›Torrington Lass‹ von Penzance nach St. Ives. Ungefähr um Mitternacht wird sie die Tribbens erreichen. Mein Bruder will sie sich einmal von nahem ansehen.«
    »Ist das nicht gefährlich, in Anbetracht der Katastrophen, die sich bereits ereignet haben?«, fragte ich.
    »Die Nacht wird klar und windstill sein. Unter normalen Umständen bestünde keine Gefahr. Aber …« Er brach ab und zuckte beredt mit den Schultern.
    »Ihr Bruder ist doch gewiss ein umsichtiger Mann, der sich auf alle Eventualitäten eingestellt hat«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher