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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Versehen, sondern Sabotage war.«
    »Sabotage? Aber es wäre doch denkbar, dass ein Seil gerissen ist. Möglicherweise wurde bei der Inspektion übersehen, dass es bereits verschlissen war.«
    Hart schüttelte heftig verneinend den Kopf. »Das Geschütz ist mit zwei starken Seilen gesichert. Wäre eines davon gerissen, wäre die Kanone nicht geradeaus, sondern seitlich zurückgestoßen. Nur wenn beide Seile in exakt derselben Sekunde gerissen wären, wäre der Rückstoß in direkter Linie verlaufen.«
    »Also?«
    Hart bückte sich und hob zwei Seile vom Boden auf. »Mit diesen Seilen war die Kanone am Längsschott befestigt.« Er zeigte Roscarrock die Seilenden. »Wie Sie selbst sehen, Sir, wurden beide Seile mit einer scharfen Klinge fast vollständig durchtrennt. Beim ersten Rückstoß sollten sie reißen, und so ist es auch geschehen.«
    Roscarrock begutachtete schweigend die Seile, ehe er sie dem jungen Offizier zurückgab. »Gut, Mr. Hart. Wenn wir davon ausgehen, dass jemand Leutnant Jardine ermorden wollte, dann müssen wir ebenfalls voraussetzen, dass dieser Jemand wusste, wo Jardine stehen würde. Kein Kunststück, denn seine Position war allgemein bekannt. Woher aber wusste der Täter, wann das Gefecht stattfinden würde? Schließlich werden die Takel alle drei Tage inspiziert.«
    Hart nickte nachdenklich. »Sie haben völlig recht, Sir.«
    »Nun, dann werden Sie mir zustimmen, dass der Täter die Taue unmittelbar vor dem Gefecht durchtrennt haben muss, innerhalb weniger Sekunden, während alle ihre Positionen bezogen. Es ist davon auszugehen, dass er gesehen wurde.«
    In neutralem Ton bemerkte Smithers: »Leutnant Jardine war bei der Besatzung nicht besonders beliebt, Sir.«
    Dem war nichts hinzuzufügen.
    Roscarrock stellte verärgert fest, dass der Schiffsarzt noch immer zugegen war. Als er sich ihm zuwandte, sah er, dass Smithers breit vor sich hin grinste.
    »Nun denn, Doktor«, sagte der Kapitän. »Sie haben gewiss noch viel zu erledigen. Ich will Sie nicht länger aufhalten. Allerdings möchte ich Sie bitten, mit niemandem über diese Angelegenheit zu sprechen, bis wir den Fall geklärt haben.«
    Der Arzt entfernte sich, um sich den Verwundeten zu widmen, die seine Hilfe benötigten.
    Roscarrock setzte sein Gespräch mit Hart fort. »Gehen wir einmal davon aus, Sie haben recht und jemand hat sich an den Seilen zu schaffen gemacht, mit dem Ziel, Leutnant Jardine zu töten. Lassen wir die Frage nach der Gelegenheit erst mal außer acht. Jedenfalls stimme ich dem Arzt zu, dass Leutnant Jardine bei den Männern nicht beliebt war. Jedes Mitglied der Besatzung kommt als Täter in Frage, auch die Fähnriche.«
    Hart zog die Brauen hoch und wollte protestieren.
    »Doch, doch«, unterbrach Roscarrock, ehe er etwas sagen konnte. »Ich weiß Bescheid über die Strafen, die Leutnant Jardine verhängte.«
    Zu den grausamsten Bestrafungen in Jardines Repertoire zählte der Brauch, Fähnriche, die bei ihm in Ungnade gefallen waren, vom Bootsmann bäuchlings auf einer Kanone festbinden und auspeitschen zu lassen. Diese Form der Bestrafung nannten die Seeleute »Die Tochter des Kanoniers küssen«. Mit der »Tochter des Kanoniers« war das Geschütz gemeint.
    Roscarrock schlug einen kameradschaftlichen, vertraulichen Ton an. »Hören Sie, Hart, die Mannschaft wird keine Träne vergießen, wenn Jardine« – er deutete auf die Leiche unter der Persenning – »über Bord geht. Jeder fünfte Mann der Besatzung wurde zwangsrekrutiert, und ich weiß, dass Jardine in Chatham Anführer einer Presspatrouille war. Seine Opfer sannen zweifellos auf Rache. Und was die übrige Besatzung angeht…« Roscarrock zuckte die Achseln. »Vermissen werden sie ihn alle nicht. Warum also sollen wir uns mit der Todesursache befassen? Seine Familie wird den Verlust leichter verschmerzen, wenn wir ihr lediglich mitteilen, dass er bei der Ausübung seiner Pflicht gefallen ist.«
    Die Züge des jungen Mannes nahmen einen sturen Ausdruck an. Offenbar hatte er vor, seine Stellung zu behaupten. »Sir«, sagte er, »mein Vater ist Pfarrer, und ich wurde dazu erzogen, an Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit zu glauben. Ich kann nicht zulassen, dass die Sache vertuscht wird. Wenn ein Mord geschieht, muss der Täter gefunden und bestraft werden.«
    Roscarrock stieß einen resignierten Seufzer aus. »Dann gehen Sie der Sache nach, wenn Sie es nicht lassen können, Mr. Hart. Ich sehe allerdings keinen Sinn darin. Schließlich gibt es ein Dutzend andere

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