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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Wie die Beatles.
    Allerdings nur in Deutschland. Denn die Sache sieht aus wie die Geschichte einer Giftwolke. Sie verlagert sich nach Frankreich. Eines schönen Morgens im Jahre 1623 erscheinen an den Mauern in Paris Plakate einer »Confraternité de la Rose-Croix«, die den braven Bürgern mitteilen, daß die Deputierten des Hauptkollegiums der Brüderschaft sich dorthin transferiert hätten und bereit seien, Mitglieder aufzunehmen. Doch einer anderen Version zufolge sagen die Plakate klar und deutlich, daß es sich um sechsunddreißig Unsichtbare handle, die in Sechsergruppen durch die Welt verstreut seien und die Macht hätten, ihre Adepten unsichtbar zu machen... Tzz tzz, schon wieder die Sechsunddrei-
    ßig...«
    »Wer?«
    »Die aus meinem Templerdokument.«
    »Phantasielose Leute. Und dann?«
    »Und dann kommt es zu einem kollektiven Wahn. Die einen verteidigen sie, die anderen wollen sie kennenlernen, wieder andere behaupten, sie betrieben Satanismus, Alchimie, Häresie mit dem Teufel Astarotte, der eingreife, um sie reich und mächtig zu machen, und fähig, sich im Fluge von einem Ort zum anderen zu begeben... Mit einem Wort — der Skandal des Tages.«
    237
    »Raffiniert, diese Rosenkreuzer. Nichts ist so gut wie eine Lancierung in Paris, um in Mode zu kommen.«
    »Scheint, daß du recht hast, denn hör zu, was passiert —
    mein Gott, was für eine Epoche! Descartes höchstpersönlich war in den Jahren zuvor in Deutschland gewesen und hatte nach ihnen gesucht, aber sein Biograph sagt, er hätte sie nicht gefunden — na ja, sie liefen ja auch unter falschen Namen herum. Als er nach Paris zurückkommt, nach dem Auftauchen der Plakate, erfährt er, daß alle ihn für einen Rosenkreuzer halten. Bei der herrschenden Stimmung war das keine gute Empfehlung und mißfiel auch seinem Freund Mersenne, der bereits aus vollen Rohren gegen die Rosenkreuzer tönte und sie als Betrüger, Umstürzler, Zauberer, Kabbalisten und Brunnenvergifter traktierte. Was also macht der gute Descartes? Er läßt sich überall sehen, wo er nur kann. Und da alle ihn sehen und es nicht zu leugnen ist, kann er kein Unsichtbarer sein, und ergo ist er kein Rosenkreuzer.«
    »Das nennt man Methode.«
    »Natürlich war’s mit dem Abstreiten nicht getan. Denn so wie die Dinge inzwischen lagen, wenn einer daherkam und sagte, guten Tag, ich bin ein Rosenkreuzer, dann bedeutete das, daß er keiner war. Ein Rosenkreuzer, der auf sich hält, sagt nicht, daß er einer ist. Im Gegenteil, er streitet es laut-hals ab.«
    »Aber man kann doch nicht sagen, wer sagt, er wäre kein Rosenkreuzer, ist einer. Denn auch ich sage dir, daß ich keiner bin, und deswegen kannst du noch lange nicht sagen, ich wäre einer.«
    »Aber es abzustreiten ist schon verdächtig.«
    »Nein. Denn was macht ein Rosenkreuzer, wenn er kapiert, daß die Leute dem, der sagt, daß er einer ist, nicht glauben, und den, der sagt, daß er keiner ist, verdächtigen?
    Er fängt an zu sagen, daß er einer ist, um sie glauben zu machen, er wäre keiner.«
    »Du sagst es. Also müßten von jetzt an alle, die sagen, sie wären Rosenkreuzer, lügen und somit tatsächlich welche sein! Ah, nein, Amparo, nein, laß uns nicht in ihre Falle gehen. Sie haben ihre Spione überall, sogar hier unter diesem Bett, und daher wissen sie jetzt, daß wir Bescheid wissen. Also sagen sie, daß sie keine sind.«
    238
    »Liebling, jetzt habe ich Angst«
    »Sei ruhig, Liebling, ich beschütze dich ja. Schau, ich bin dumm, und wenn sie sagen, sie wären keine, dann glaube ich, daß sie welche sind, und so entlarve ich sie sofort. Ein entlarvter Rosenkreuzer ist ungefährlich, du kannst ihn zum Fenster rausjagen, indem du einfach mit der Zeitung we-delst«
    »Und Agliè? Er will uns glauben machen, er sei der Graf von Saint-Germain. Natürlich, damit wir glauben, er wäre es nicht. Also ist er ein Rosenkreuzer. Oder?«
    »Hör zu, Amparo, wollen wir nicht schlafen?«
    »Ah, nein, jetzt will ich das Ende hören!«
    »Allgemeine Verpanschung. Alle werden zu Rosenkreuzern. 1627 erscheint das Neue Atlantis von Francis Bacon, und die Leser denken, er spreche vom Land der Rosenkreuzer, obwohl er sie nirgends erwähnt. Der arme Johann Valentin Andreae schwört noch auf dem Totenbett, daß er’s nicht gewesen sei, oder wenn doch, daß es nur ein Spaß war, aber nun ist nichts mehr zu machen. Begünstigt von der Tatsache, daß sie nicht existieren, sind die Rosenkreuzer überall.«
    »Wie Gott.«
    »Jetzt wo du mich

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