Das Foucaultsche Pendel
ich...
Eine Geschichte, die ich dir nie erzählt habe, von einem gewissen Oberst...«
»Na und? Die Templer haben halt von den Rosenkreuzern abgeschrieben.«
»Aber die Templer waren vorher da.«
»Na dann haben halt die Rosenkreuzer von den Templern abgeschrieben.«
»Liebling, ohne dich wäre ich verloren.«
»Liebling, dich hat dieser Agliè ganz verdorben. Du erwar-test dir eine Offenbarung.«
»Ich? Ich erwarte mir gar nichts.«
»Na Gott sei Dank, hüte dich vor dem Opium der Völker.«
»El pueblo unido jamás será vencido.«
»Mach du dich nur lustig. Lies weiter, laß mich hören, was diese Kretins gesagt haben.«
»Diese Kretins haben alles in Afrika gelernt, hast du das vergessen?«
»In Afrika waren sie damals schon dabei, uns einzupacken und hierherzuverschicken.«
»Dank dem Himmel dafür. Du hättest in Pretoria zur Welt kommen können.« Ich küßte sie und fuhr fort: »Hinter der Tür entdecken sie eine Grabkammer mit sieben Seiten und sieben Ecken, wunderbarerweise erleuchtet von einer künstlichen Sonne. In der Mitte ein runder Altar, geschmückt mit diversen Figuren und Schriften, vom Typus NEQUA-QUAM VACUUM...«
»Ne quà quà? Gezeichnet Donald Duck?«
»Das ist Latein, schon mal davon gehört? Heißt soviel wie:
›Es gibt kein Vakuum.‹«
»Na Gott sei Dank, stell dir vor, wie gräßlich sonst.«
»Machst du mir bitte den Ventilator an, animula vagula blandula?«
»Aber es ist doch Winter.«
»Für euch von der falschen Hemisphäre, mein Schatz. Wir haben Juli, also bitte sei so lieb und mach mir den Ventilator 230
an — nicht weil ich der Mann bin, sondern weil er auf deiner Seite ist. Danke... Also, unter dem Altar finden sie den un-versehrten Leichnam ihres Gründers. In der Hand hält er ein Liber T, angefüllt mit unendlicher Weisheit, nur leider darf die Welt sie nicht erfahren — sagt das Manifest —, sonst gulp, wow, brr, sguisssh!«
»Au!«
»Sag ich doch. Am Ende verspricht das Manifest einen ungeheuren Schatz, der noch ganz zu entdecken ist, und wunderbare Enthüllungen über das Verhältnis von Makro-und Mikrokosmos. Glaubt nicht, wir wären billige Alchimisten und würden euch lehren, wie man Gold macht. Das ist was für kleine Gauner, wir wollen mehr und zielen höher, in jeder Hinsicht. Wir verbreiten diese Fama hier in fünf Sprachen, zu schweigen von der Confessio, demnächst in diesem Theater. Wir warten auf Reaktionen und Urteile von Gelehrten und Ignoranten. Schreibt uns, ruft uns an, sagt uns eure Namen, und wir werden sehen, ob ihr würdig seid, an unseren Geheimnissen teilzuhaben, von denen dies hier nur eine blasse Kostprobe war. Sub umbra alarum tuarum Iehova.«
»Was?«
»Unter dem Schatten deiner Flügel, Jehova. Das ist die Schlußformel. Ende der Durchsage. Kurz und gut, es scheint, als wären de Rosenkreuzer ganz wild darauf, ihr Wissen mitzuteilen, und warteten nur auf den richtigen Gesprächspartner. Aber sie verraten kein Wort von dem, was sie wissen.«
»Wie dieser Typ auf dem Foto neulich, mit diesem Inserat in der Illustrierten, die wir im Flugzeug gesehen haben: Wenn Sie mir zehn Dollar schicken, verrate ich Ihnen, wie man Millionär wird.«
»Aber der lügt nicht. Der hat das Geheimnis entdeckt. Wie ich.«
»Hör mal, lies lieber weiter. Scheint ja, als hättest du mich noch nie gesehen.«
»Es ist immer, als wär’s das erste Mal.«
»Um so schlimmer. Ich lass’ mich nicht mit dem erstbesten ein. Aber sag mal, ist es möglich, daß gerade du immer alle findest? Erst die Templer, dann die Rosenkreuzer? Hast du nie, was weiß ich, Plechanow gelesen?«
»Nein, ich warte noch, bis sie sein Grab finden, vielleicht 231
in hundertzwanzig Jahren. Wenn Stalin ihn nicht mit dem Bulldozer begraben hat.«
»Blödmann! Ich geh ins Bad.«
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Daß auch die gantze Christenheit mit solchen
Köpffen hin und wider uberhäufft, gibt uberflissig die genandte Fraternitas Rosae Crucis zu erkennen. Dann als solches Phantasma kaum auß-
geschlossen, ungeachtet auch deren Fama und Confessio... klärlich bezeuget, das dies allein ein lusus ingenii nimium lascivientis: Weil jedoch darin eine Hoffnung solcher General Reformation
gemacht und von vielen seltsamen Künsten, von
theils lächerlich, theils unglaublichen Sachen an-regung gethan worden, haben sich in allen Lan-
den auch sehr gelehrte und fromme Leut damit
so äffen lassen, daß sie ihre Dienst und gute Willen, etwan mit Benennung ihrer Namen, ange-
botten: Etwan solchen
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