Das Foucaultsche Pendel
aber noch nicht lange, denn er sprach über die Rosenkreuzer zur Zeit der achtzehnten Dynastie, unter der Herrschaft des Pharao Amosis I.
Vier Verschleierte Herren, erklärte er, wachten über die Evolution der Rasse, die fünfundzwanzigtausend Jahre vor der Gründung von Theben die Kultur der Sahara hervorgebracht habe. Von ihnen beeinflußt, habe der Pharao Amosis eine Große Weiße Bruderschaft gegründet, als Hüterin jener vorsintflutlichen Weisheit, welche die alten Ägypter in den Fingerspitzen hatten. Er sei im Besitz von Dokumenten, behauptete Bramanti (natürlich unzugänglich für die Profanen), welche zurückgingen auf die Weisen des Tempels von Karnak und ihre geheimen Archive. Das Symbol der Rose und des Kreuzes sei dann von Pharao Echnaton ersonnen worden. Es gebe jemanden, der den Papyrus besitze, sagte Bramanti, aber man frage nicht, wer es sei.
Im Schoße dieser Großen Weißen Bruderschaft seien sodann herangewachsen: Hermes Trismegistos (dessen Einfluß auf die italienische Renaissance ebenso unbestreitbar sei wie der auf die Gnosis von Princeton), Homer, die Druiden Galliens, Salomo, Solon, Pythagoras, Plotin, die Essener, die Therapeuten, Josef von Arimathia (der den Gral nach Europa gebracht habe), Alkuin, König Dagobert, Thomas von Aquin, Francis Bacon, Shakespeare, Spinoza, Jakob Böhme, Debussy und Einstein. Amparo flüsterte mir zu, ihr scheinen es fehlten nur noch Nero, Cambronne, Geronimo, Pancho Villa und Buster Keaton.
Was den Einfluß der ursprünglichen Rosenkreuzer auf das Christentum betraf, so begnügte sich der Redner mit dem Hinweis für jene, die sich der Frage noch nie zugewandt hatten, daß es kein Zufall sei, wenn die Legende wolle, daß Jesus am Kreuz gestorben sei.
Die Weisen der Großen Weißen Bruderschaft seien eben-dieselben, welche die erste Freimauererloge gegründet hät-242
ten, zur Zeit König Salomos. Daß Dante ein Rosenkreuzer und Freimaurer war — wie übrigens auch Thomas von Aquin —, stehe klar und deutlich in seinem Werk geschrieben. In den Gesängen XXIV und XXV des Paradiso fänden sich der dreifache Kuß des Prinzen Rosenkreuz, der Pelikan, die weißen Gewänder (dieselben wie die der vierundzwanzig Greise der Apokalypse) und die drei Kardinaltugenden der Maurerkapitel (Glaube, Hoffnung und Nächstenliebe).
Tatsächlich sei die symbolische Blume der Rosenkreuzer (die rosa candida der Gesänge XXX und XXXI) von der römischen Kirche als Figur der Erlösermutter adoptiert worden — daher die Rosa Mystica der Litaneien.
Und daß die Rosenkreuzer das ganze Mittelalter durchzogen hätten, sei nicht nur an ihrer Infiltration der Templer zu ersehen, sondern auch durch noch viel direktere Dokumente belegt. Bramanti zitierte einen gewissen Kiesewetter, der Ende des vorigen Jahrhunderts bewiesen habe, daß die Rosenkreuzer im Mittelalter vier Doppelzentner Gold für den Kurfürsten von Sachsen fabriziert hätten, und er nannte die genaue Seite des 1613 in Straßburg erschienenen Theatrum Chemicum. Nur wenige hätten indes die Templerbezüge in der Sage von Wilhelm Tell bemerkt: Tell schnitzte sich seinen Pfeil aus dem Zweig einer Mistel, einer Pflanze der arischen Mythologie, und er traf den Apfel, das Symbol jenes dritten Auges, das von der Schlange Kundalini aktiviert werde — und man wisse ja, daß die Arier aus Indien kämen, wohin später die Rosenkreuzer gingen, um sich zu verstek-ken, als sie Deutschland verließen.
Was hingegen die diversen Bewegungen anbetreffe, welche sich, wie kindisch auch immer, auf die Große Weiße Bruderschaft zurückzuführen vorgäben, so anerkenne er, sagte Bramanti, als hinreichend orthodox allenfalls die Rosicrucian Fellowship von Max Heindel, allerdings auch diese nur, weil Alain Kardec sich in ihrem Dunstkreis gebildet habe. Wie jeder wisse, sei Kardec der Vater des Spiritismus gewesen, und aus seiner Theosophie, die den Kontakt mit den Seelen der Verstorbenen behandle, habe sich die Spiritualität des Umbanda gebildet, der Ruhm des hochedlen Brasilien. In dieser Theosophie sei Aum Bandhà ein Sanskritaus-druck, der das göttliche Prinzip und die Quelle des Lebens bezeichne. (»Sie haben uns erneut getäuscht«, murmelte 243
Amparo, »nicht mal Umbanda ist ein Wort von uns, es hat vom Afrikanischen bloß den Klang.«)
Die Wurzel sei Aum oder Um, was nichts anderes sei als das Om der Buddhisten, und das sei der Name Gottes in der Sprache Adams gewesen. Um sei eine Silbe, die, richtig ausgesprochen, sich in ein
Weitere Kostenlose Bücher