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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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anderes gewartet Die Gelehrten aus ganz Europa schreiben tatsächlich an die Rosenkreuzer, und da man nicht weiß, wo sie zu finden sind, schreiben sie offene Briefe, Broschüren, Bücher. Michael Maier veröffentlicht noch im selben Jahr ein Opus namens Arcana arcanissima, in dem er zwar die Rosenkreuzer nicht nennt, aber alle sind überzeugt, daß er von ihnen spricht und viel mehr weiß, als er sagen will. Einige prahlen und behaupten, sie hätten die Fama im Manuskript gelesen. Ich glaube nicht, daß es damals besonders leicht war, ein Buch herzustellen, noch dazu eins mit Illustrationen, aber Robert Fludd publiziert bereits 1616 (und er schreibt in England und läßt in Leiden drucken, rechne nur mal die Zeit zum Hin- und Herreisen für die Fahnenkorrek-turen), eine Apologia compendiaria Fratemitatem de Rosea Cruce suspicionis et infamiis maculis aspersam, veritatem quasi Fluctibus abluens et abstergens, zur Verteidigung der Rosenkreuzer, um sie reinzuwaschen von den Verdächtigungen und
    ›Schandflecken‹, die man ihnen angehängt habe — und das kann nur heißen, daß bereits eine heftige Debatte entbrannt sein mußte, hin und her zwischen Böhmen, Deutschland, England und Holland, alles mit reitenden Boten und umher-ziehenden Gelehrten.«
    »Und die Rosenkreuzer selbst?«
    »Grabesstille. Post hundertzwanzig annos patebo nix.
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    Hocken schweigend im Vakuum ihres Palastes. Ich glaube, es ist gerade ihr Schweigen, das die Geister erregt. Daß sie nicht antworten, heißt, daß sie tatsächlich existieren. 1617
    schreibt Robert Fludd einen Tractatus apologeticus inte ritatem societatis de Rosea Cruce defendens, und der Autor eines De naturae secretis von 1618 sagt, der Moment sei gekommen, das Geheimnis der Rosenkreuzer zu lüften.«
    »Und lüftet er es?«
    »Von wegen. Er macht es noch komplizierter. Denn er entdeckt, daß man, wenn man die von den Rosenkreuzern ver-sprochenen 188 Jahre von 1618 abzieht, auf 1430 kommt: das Jahr, in dem der Orden des Goldenen Vlieses gegründet wurde.«
    »Und was hat der damit zu tun?«
    »Ich kapiere nicht, wie er auf 188 Jahre kommt, weil es 120
    sein müßten, aber wenn du mystische Subtraktionen und Additionen machen willst, geht die Rechnung immer auf.
    Das Goldene Vlies ist jedenfalls das der Argonauten, und ich weiß aus sicherer Quelle, daß es was mit dem Heiligen Gral zu tun hat und somit, wenn du erlaubst, auch mit den Templern. Aber damit noch nicht genug. Zwischen 1617 und 1619
    gibt Robert Fludd, der offenbar noch fleißiger schrieb als Barbara Cartland, vier weitere Bücher zum Druck, darunter seine Utriusque cosmi historia, eine Art kurze Geschichte des Universums, illustriert, ganz in Rosa und Kreuz. Michael Maier nimmt seinen ganzen Mut zusammen und publiziert sein Opus Silentium post clamores, in dem er behauptet, die Bruderschaft existiere und hänge nicht nur mit dem Orden vom Goldenen Vlies zusammen, sondern auch mit dem Hosenbandorden. Aber er ist zu unbedeutend, um aufgenommen zu werden. Jetzt stell dir vor, wie das die Gelehrten Europas beflügelt! Wenn diese Rosenkreuzer nicht mal einen Maier aufnehmen, müssen sie wirklich ein höchst exklusiver Club sein. Also sind nun alle zu allem bereit, um aufgenommen zu werden. Alle sind bereit zu sagen, daß die Rosenkreuzer existieren, alle zu bekennen, daß sie nie einen gesehen haben, alle an sie zu schreiben, wie um ein Rendezvous zu fixieren oder um eine Audienz zu bitten, niemand erdreistet sich zu sagen, er sei kontaktiert worden, einige sagen, daß der Orden nicht existiert, weil sie nicht kontaktiert worden sind, andere sagen, er existiere gerade, um kon-236
    taktiert zu werden.«
    »Und die Rosenkreuzer bleiben stumm.«
    »Wie die Fische.«
    »Mach den Mund auf. Kriegst noch ‘ne Mamaya.«
    »Mmmm... Unterdessen beginnt der Dreißigjährige Krieg, und Johann Valentin Andreae verfaßt eine Schrift namens Turris Babel, um zu verkünden, daß binnen Jahresfrist der Antichrist besiegt sein werde, und ein gewisser Irenäus Agnostus schreibt ein Tintinnabulum sophorum... «
    »Hübscher Titel, tintin.«
    »... wobei ich nicht ganz kapiere, was er darin sagt, aber sicher ist, daß dann Tommaso Campanella oder wer immer für ihn in der deutschen Ausgabe seiner Monarchia Hispanica interveniert und die ganze Rosenkreuzergeschichte zu einem Divertissement perverser Hirne erklärt... Und danach ist Schluß, zwischen 1621 und 1623 schweigen alle.«
    »Einfach so?«
    »Einfach so. Sind wohl müde geworden.

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