Das Foucaultsche Pendel
für den Zwischenfall war, und be-fiehlt, ihn zu füsilieren.
Glänzender Lantenac, virtuos, gerecht und unbestechlich! Genauso machte es Doktor Wagner mit mir: er ehrte mich mit seiner Freundschaft, und er tötete mich, indem er mir die Wahrheit sagte und er tötete mich, indem er mir enthüllte, was ich in Wahrheit wollte
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und er enthüllte mir, was ich, während ichs wollte, fürchtete.
Eine Geschichte, die in kleinen Bars beginnt. Das Bedürfnis, sich zu verlieben.
Gewisse Dinge spürt man kommen, man verliebt sich nicht einfach, weil man sich verliebt, man verliebt sich, weil man in der betreffenden Zeit ein verzweifeltes Bedürfnis hat, sich zu verlieben. In solchen Zeiten, wenn du die Lust verspürst, dich zu verlieben, mußt du gut aufpassen, wohin du die Füße setzt: es ist, als hättest du einen Liebestrank getrunken, einen von denen, die dich in das erstbeste Wesen verliebt machen, das dir begegnet. Könnte auch ein Schnabeltier sein.
Warum hatte ich das Bedürfnis gerade in jener Zeit, als ich aufgehört hatte zu trinken? Beziehung zwischen Leber und Herz.
Eine neue Liebe ist ein gutes Motiv, wieder mit dem Trinken anzufangen. Jemanden haben, mit dem man durch kleine Bars ziehen kann. Sich wohl fühlen.
Die kleine Bar ist eine kurze, flüchtige Sache. Sie erlaubt dir eine lange süße Erwartung während des ganzen Tages, bis du hingehst, dich im Dämmerlicht zu verbergen, in die Ledersessel zu sinken, nachmittags um sechs ist noch niemand da, die gemeine Kundschaft kommt erst am Abend, mit dem Pianisten. Am späten Nachmittag eine schummrige kleine American Bar auswählen, wo der Kellner nur kommt, wenn du ihn dreimal rufst, aber er hat schon den nächsten Martini bereit.
Der Martini ist essentiell. Nicht Whisky, Martini. Das Zeug ist farblos, du hebst das Glas und siehst sie hinter der Olive. Unterschied, ob man die Geliebte durch einen Martini Cocktail betrachtet, dessen dreieckiges Kelchglas zu klein ist, oder durch einen Gin Martini on the Rocks, großes Glas, ihr Gesicht zerfällt im transpa-renten Kubismus der Eiswürfel, und der Effekt verdoppelt sich, wenn man die beiden Gläser einander nähert, jeder die Stirn an die Kälte des Glases gedrückt, und zwischen Stirn und Stirn die zwei Gläser... Mit dem Kelch geht das nicht.
Die kurze Stunde der kleinen Bar. Danach wirst du zitternd auf einen anderen Tag warten. Hier gibt es nicht die Erpressung mit der Sicherheit.
Wer sich in kleinen Bars verliebt, braucht keine Frau für sich allein.
Jemand leiht einem seine.
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Seine Rolle. Er ließ ihr viel Freiheit, er war immer auf Reisen. Seine verdächtige Liberalität: ich konnte auch um Mitternacht anrufen, er war da und du nicht, er sagte mir, du seist außer Haus, und wenn ich schon anriefe, ob ich nicht zufällig wüßte, wo du wärst.
Einzige Momente der Eifersucht. Aber auch auf diese Weise entriß ich Cecilia dem Saxophonspieler. Lieben oder zu lieben glauben als ewiger Priester einer alten Rache.
Mit Sandra wars komplizierter geworden: diesmal hatte sie gemerkt, daß es mich böse erwischt hatte, das Leben zu zweit wurde eher angespannt. Mußten wir uns trennen? Also bitte, dann trennen wir uns. Nein, warte, reden wir noch mal drüber. Nein, so kann das nicht weitergehen. Mit einem Wort, das Problem war Sandra.
Wenn man durch Bars zieht, hat man das Drama der Leidenschaft nicht mit der, die man trifft, sondern mit der, die man verläßt.
Dann kam das Abendessen mit Doktor Wagner. In seinem Vor-trag hatte er gerade erst einem Provokateur eine Definition der Psychoanalyse gegeben: »La psychanalyse? Cest quentre lhomme et la femme... chers amis... ça ne colle pas. *«
Man diskutierte über die Zweierbeziehung, und über die Scheidung als Illusion des Gesetzes. Von meinen Problemen umgetrie-ben, beteiligte ich mich engagiert am Gespräch. Wir verloren uns in dialektischen Spielereien, sprachen miteinander, während Wagner schwieg, vergaßen, daß wir ein Orakel unter uns hatten. Und da, mit abwesender Miene
und da, mit gelangweilter Miene
und da, mit melancholischem Desinteresse
und da, als mischte er sich am Thema vorbei ins Gespräch ein, sagte Wagner (ich erinnere mich genau an seine Worte, sie haben sich mir tief ins Gedächtnis eingeprägt, ich kann mich unmöglich verhört haben): In meiner gesamten Tätigkeit habe ich nie einen Patienten gehabt, der von seiner eigenen Scheidung neurotisiert war. Der Grund des Unbehagens war immer die Scheidung des
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