Das Foucaultsche Pendel
zündete sich eine Zigarette an und tat, als täuschte er Groll vor, um seine Bekenntnisse vor mir verzeihlich zu machen.
»Und ihr seid auf allen Fronten zurückgewichen. Wir, mit unseren jährlichen Bußpilgerfahrten zu den Fosse Ardeati-ne, wir hatten uns geweigert, Werbeslogans für Coca-Cola zu erfinden, weil wir Antifaschisten waren. Wir begnügten uns mit den paar Kröten bei Garamond, weil Bücher wenigstens demokratisch sind. Und ihr, um euch an den Bourgeois zu rächen, die ihr nicht aufhängen konntet, ihr verkauft ihnen jetzt Videokassetten und Fan-Magazine, ihr infantili-siert sie mit Zen und der Kunst, ein Motorrad zu warten. Ihr habt uns eure Kopie der Gedanken Maos aufgeschwatzt, und dann seid ihr mit dem Geld hingegangen und habt euch die Knaller für eure Feste der neuen Kreativität gekauft. Ohne Scham. Wir haben unser Leben damit verbracht, uns zu schä-
men. Ihr habt uns getäuscht, ihr habt keine Reinheit verkörpert, es war bloß Pubertätsakne. Ihr habt uns das Gefühl gegeben, wir wären elende Feiglinge, weil wir nicht den Mut hatten, mit offenem Visier den Bullen entgegenzutreten, und dann habt ihr irgendwelchen Passanten, die gerade vorbeikamen, in den Rücken geschossen. Vor zehn Jahren ist es uns passiert, daß wir logen, um euch aus dem Gefängnis zu holen, und ihr habt gelogen, um eure Freunde ins Gefängnis zu bringen. Deswegen gefällt mir diese Maschine hier: sie ist dumm, sie glaubt nichts, sie macht mich nichts glauben, sie tut, was ich ihr sage, ich Dummer ihr in ihrer Dummheit —
oder ihm. Das ist ein ehrliches Verhältnis.«
»Ich...«
»Sie sind unschuldig, Casaubon. Sie sind abgehauen, statt Steine zu schmeißen, Sie haben promoviert, nicht geschossen. Und doch, vor ein paar Jahren fühlte ich mich auch von Ihnen erpreßt. Verstehen Sie mich recht, das ist nicht persönlich gemeint. Das sind Generationszyklen. Und als ich dann das Pendel sah, letztes Jahr, habe ich alles begriffen.«
»Was alles?«
»Fast alles. Sehen Sie, Casaubon, auch das Pendel ist ein falscher Prophet. Sie schauen es an, Sie glauben, es sei der einzige feste Punkt im Kosmos, aber wenn Sie es aus dem 283
Kirchengewölbe abnehmen und es in einem Bordell aufhängen, funktioniert es trotzdem. Es gibt noch andere Foucaultsche Pendel, eins in New York im Palais der Vereinten Nationen, eins in San Francisco im Technischen Museum, und wer weiß wo sonst noch. Das Foucaultsche Pendel hängt fest, während die Erde sich unter ihm dreht, wo immer es sich befindet. Jeder Punkt im Universum ist ein fester Punkt, man braucht nur das Pendel dranzuhängen.«
»Dann ist Gott überall?«
»In gewissem Sinn ja. Deshalb verwirrt mich das Pendel.
Es verspricht mir das Unendliche, aber es läßt mir die Verantwortung, zu entscheiden, wo ich es haben will. Also ge-nügt es nicht, das Pendel einfach da zu verehren, wo es ist, man muß auch hier wieder eine Entscheidung treffen und den besten Punkt suchen. Und doch...«
»Und doch?«
»Und doch... he, Casaubon, Sie nehmen mich doch nicht etwa ernst, oder? Nein, ich kann unbesorgt sein, wir sind Leute, die nichts ernst nehmen... Und doch, sagte ich, das Gefühl ist: da hat man nun in seinem Leben das Pendel an so viele Stellen gehängt und nie hat es funktioniert, und dort im Pariser Conservatoire funktioniert es so gut... Was, wenn es im Universum privilegierte Punkte gäbe? Hier vielleicht, an der Decke dieses Büros? Nein, das würde uns niemand glauben. Es braucht eine Atmosphäre. Ich weiß nicht, vielleicht sind wir ständig auf der Suche nach dem richtigen Punkt und vielleicht ist er uns ganz nahe, aber wir erkennen ihn nicht, und um ihn zu erkennen, müßten wir glauben...
Schluß jetzt, gehen wir zu Signor Garamond.«
»Um das Pendel aufzuhängen?«
»O sel’ge Narretei. Gehen wir ernsthafte Dinge tun. Um Sie bezahlen zu können, muß ich Sie dem Boß vorführen, damit er Sie sieht, Sie berühren und Sie beschnuppern kann und sagt, es wäre ihm recht. Kommen Sie, lassen Sie sich vom Boß berühren, seine Berührung heilt von der Krätze.«
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Geheimer Meister, Vollkommener Meister, Ge-
heimer Sekretär, Vorsteher und Richter, Inten-
dant der Gebäude, Auserwählter Meister der
Neun, Erlauchter Auserwählter der Fünfzehn,
Groß-Architekt, Royal Arch oder Ritter des Kö-
niglichen Gewölbes von Salomo, Ritter des
Ostens oder des Schwertes, Prinz von Jerusalem, Ritter vom Osten und Westen, Ritter vom Rosenkreuz oder Ritter des Adlers und des
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