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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Pelikans,
    Hoher Priester oder Erhabener Schotte des
    Himmlischen Jerusalems, Ehrwürdiger Groß-
    meister Aller Logen ad vitam, Preußischer Ritter oder Noachitischer Patriarch, Ritter der Königlichen Axt oder Prinz von Libanon, Prinz des Ta-
    bernakels, Ritter der Ehernen Schlange, Prinz der Barmherzigkeit oder der Gnade, Großer Komtur
    des Tempels, Ritter der Sonne oder Prinz-Adept, Groß-Schotte des Sankt Andreas von Schottland
    oder Großmeister des Lichtes, Großer Auser-
    wählter Ritter Kadosch und Ritter vom Weißen
    und Schwarzen Adler.
    Hochgrade der Freimaurerei nach Altem und Angenomme-nem Schottischen Ritus
    Wir gingen durch den Flur, stiegen drei Stufen hinauf und passierten eine Mattglastür. Mit einem Schlag betraten wir eine andere Welt. Waren die Räume, die ich bisher gesehen hatte, dunkel, staubig und verkommen, so wirkten diese wie die VIP-Lounge eines Flughafens. Gedämpfte Musik, hellblaue Tapeten, ein komfortabler Wartesaal mit Designermö-
    beln, an den Wänden Photographien, auf denen man Herren mit Abgeordnetengesichtern geflügelte Siegestrophäen an Herren mit Senatorengesichtern überreichen sah. Auf einem niedrigen Tischchen lagen, lässig hingestreut wie im Warte-zimmer eines Zahnarztes, einige Hochglanzzeitschriften mit Titeln wie Der Literarische Spürsinn, Der Poetische Athanor, 285
    Die Rose und die Dornen, Parnassus Önotrius, Der Freie Vers.
    Ich hatte noch niemals eine davon gesehen, und später erfuhr ich auch den Grund: Sie wurden nur unter den Kunden des Hauses Manuzio vertrieben.
    Wenn ich zunächst geglaubt hatte, in die Chefetage des Verlags Garamond gekommen zu sein, wurde ich rasch eines Besseren belehrt. Wir waren in den Räumen eines anderen Verlages. Im Vorraum von Garamond gab es eine dunkle, angelaufene Vitrine mit den Neuerscheinungen, aber die Bücher von Garamond waren bescheiden aufgemacht, mit nüchternen grauen Einbänden und noch unaufgeschnitte-nen Bögen — sie sollten an jene französischen Universitäts-publikationen erinnern, bei denen das Papier nach wenigen Jahren vergilbt, damit der Eindruck entsteht, als habe der Autor, besonders wenn er noch jung ist, schon seit langem publiziert. Hier dagegen stand eine andere Vitrine, die von innen erleuchtet war und die Bücher des Verlages Manuzio präsentierte, einige aufgeschlagen auf generös umbroche-nen Seiten: strahlendweiße Umschläge, bezogen mit glän-zendem Zellophan, sehr elegant, und feines Reispapier mit schönen klaren Drucktypen.
    Die Reihen von Garamond hatten seriöse akademische Titel wie »Humanistische Studien« oder »Philosophische Texte«. Die Reihen von Manuzio trugen erlesene poetische Namen: »Die Ungepflückte Blume« (Lyrik), »Terra Incognita«
    (erzählende Prosa), »Die Stunde des Oleanders« (mit Titeln wie Tagebuch eines kranken Mädchens), »Reihe Osterinsel« (offenbar diverse Essayistik), »Das Neue Atlantis« (letzte Neuerscheinung: Erlöstes Königsberg — Prolegomena zu jeder künftigen Metaphysik, die sich als doppeltes transzendentales System und Wissenschaft vom phänomenalen Noumenon präsentiert).
    Auf jedem Umschlag prangte das Verlagssignet, ein Pelikan unter einer Palme, mit dem Motto: »Ich hab, was ich gab.«
    Belbo war knapp und vage: Signor Garamond besitze eben zwei Verlage, das sei alles. In den folgenden Tagen stellte ich fest, daß der Durchgang von Garamond zu Manuzio eine sehr private, vertrauliche Sache war. Tatsächlich befand sich der offizielle Eingang zu Manuzio in der Via Marchese Gualdi, und in der Via Marchese Gualdi machte die schmuddlige Welt der Via Sincero Renata Platz für saubere Fassaden, breite Fußwege, Eingangshallen mit Fahrstühlen aus Alumini-286
    um, Niemand hätte vermutet, daß ein altes Haus in der Via Sincero Renata über bloß drei Stufen mit einem Gebäude in der Via Gualdi verbunden war. Um die Genehmigung dafür zu bekommen, mußte Signor Garamond wahre Seiltänze aufgeführt haben, vermutlich hatte er sich an einen seiner Autoren gewandt, der im städtischen Bauamt tätig war.
    Wir wurden sogleich von der Signora Grazia empfangen, einer mütterlichen Dame mit signiertem Halstuch und Ko-stüm in derselben Farbe wie die Tapeten, die uns mit ge-pflegtem Lächeln in den Saal des Globus führte.
    Der Saal war nicht unermeßlich, doch er erinnerte an den Amtssitz Mussolinis im Palazzo Venezia: ein mannshoher Globus am Eingang und der Mahagonischreibtisch des Signor Garamond so fern am anderen Ende, daß er wie durch ein

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