Das Foucaultsche Pendel
publizierte auf eigene Kosten. Sie, lieber Freund, werden in den Schulbüchern landen, aber nicht in den Bahnhofskiosken, genauso ist es auch Joyce ergangen, der seine Sachen gleichfalls auf eigene Kosten herausbrach-te, wie Proust. Von Büchern wie den Ihren kann ich mir nur alle zwei, drei Jahre eins leisten. Geben Sie mir drei Jahre Zeit...« Es folgte eine lange Pause. In Signor Garamonds Antlitz zeichnete sich eine schmerzerfüllte Verlegenheit ab.
»Wie bitte? Auf Ihre eigenen Kosten? Nein, nein, es ist nicht die Höhe der Summe, die Summe läßt sich begrenzen...
Aber der Verlag Manuzio pflegt nicht... Gewiß, wem sagen Sie das, auch Joyce und Proust... Gewiß, ich verstehe...«
Erneute leidvolle Pause. »Nun gut, wir werden darüber reden. Ich bin ehrlich zu Ihnen gewesen, Sie sind voller Ungeduld, also machen wir, was man einen Joint venture nennt, die Amerikaner machen’s uns vor. Kommen Sie morgen vorbei, und wir rechnen alles noch einmal durch... Meine tiefe Verehrung und hohe Bewunderung.«
Garamond legte auf, hob den Kopf, als erwachte er aus einem Traum, und fuhr sich mit der Hand über die Augen.
Dann entsann er sich plötzlich der Anwesenheit seines Besuchers. »Entschuldigen Sie. Das war ein Schriftsteller, ein echter Schriftsteller, vielleicht ein Großer. Und doch, gerade deshalb... Manchmal ist es demütigend, diesen Beruf auszu-
üben. Wenn man nicht die Berufung hätte. Aber kommen wir zurück zu Ihnen. Wir haben uns alles gesagt, ich werde Ihnen schreiben, sagen wir, etwa in einem Monat. Ihr Text bleibt hier, in guten Händen.«
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Der Commendator De Gubernatis war sprachlos gegangen. Er hatte den Fuß in die Schmiede des Ruhmes gesetzt.
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Ritter der Weltkugeln, Prinz des Tierkreises, Erhabener Hermetischer Philosoph, Oberkomman-
deur der Gestirne, Erhabener Priester der Isis, Prinz des Heiligen Hügels, Philosoph von Samo-thrakien, Titan des Kaukasus, Knabe der Golde-
nen Lyra, Ritter des Wahren Phönix, Ritter der
Sphinx, Erhabener Weiser des Labyrinthes, Er-
ster Brahmane, Mystischer Wächter des Heilig-
tums, Architekt des Mysteriösen Turmes, Erha-
bener Prinz des Heiligen Vorhangs, Deuter der
Hieroglyphen, Orphischer Doktor, Wächter der
Drei Feuer, Hüter des Unnennbaren Namens, Er-
habener Ödipus der Großen Geheimnisse, Ge-
liebter Hirte der Oase der Mysterien, Doktor des Heiligen Feuers, Ritter des Leuchtenden Dreiecks.
Hochgrade nach Altem und Primitivem Ritus von Memphis-Misraim
Manuzio war ein Verlag für AEKs.
Ein AEK im Jargon von Manuzio war — doch warum gebrauche ich hier das Imperfekt? Die AEKs sind immer noch da, dort unten geht alles weiter, als wenn nichts geschehen wäre, ich bin es, der inzwischen alles in eine unendlich ferne Vergangenheit projiziert, weil das, was vorgestern abend geschehen ist, gleichsam einen Riß in der Zeit markiert hat, weil in der Kirche von Saint-Martin-des-Champs die Ordnung der Jahrhunderte umgestürzt worden ist... Oder vielleicht, weil ich seit vorgestern abend mit einem Schlag um Jahrzehnte gealtert bin, oder weil die Furcht, von denen ge-faßt zu werden, mich reden läßt, als berichtete ich von einem zerfallenden Reich, im Bade liegend, die Pulsadern aufgeschnitten, wartend, daß ich im eigenen Blut ertrinke...
Ein AEK ist ein Autor auf Eigene Kosten, und Manuzio ist eines jener Unternehmen, die man in den angelsächsischen Ländern »Vanity Press« nennt Enorme Gewinne und so gut 293
wie keine Betriebskosten. Belegschaft: Signor Garamond, Signora Grazia, der Buchhalter hinten in seinem Kabäuschen, genannt kaufmännischer Direktor, und Luciano, der kriegsversehrte Packer unten im Lager.
»Ich habe nie kapiert, wie Luciano es schafft, die Bücher mit seinem einen Arm zu verpacken«, hatte Belbo zu mir gesagt, »ich glaube, er behilft sich mit den Zähnen. Andererseits verpackt er nicht gerade viel: die Packer in normalen Verlagen schicken die Bücher an die Buchhandlungen, Luciano schickt sie nur an die Autoren. Manuzio interessiert sich nicht für die Leser... Das Entscheidende ist, sagt Signor Garamond, daß man die Autoren nicht verrät — ohne Leser kann man durchaus überleben.«
Belbo bewunderte den Signor Garamond. Er sah in ihm den Träger einer Kraft, die ihm verwehrt war.
Das System von Manuzio war sehr einfach. Einige wenige Anzeigen in Lokalzeitungen, Fachzeitschriften, literarischen Provinzblättern, besonders in denen, die nur wenige Nummern überdauern. Anzeigen von mittlerer Größe,
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