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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Nun, es ist spät geworden.
    Also gut, meine Freunde, der Pakt ist geschlossen, das Übrige waren Abschweifungen eines alten Gelehrten.«
    Während er uns die Hand reichte, kam der Diener herein und flüsterte ihm etwas ins Ohr. »Oh, die liebe Freundin!«
    rief Agliè. »Das hatte ich ganz vergessen! Sie soll einen Augenblick warten..., nein, nicht im Salon, im türkischen Zimmer.«
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    Aber die liebe Freundin mußte mit dem Hause gut vertraut sein, denn sie erschien bereits in der Tür und ging sicheren Schrittes, ohne uns im Dämmerlicht des erlöschenden Tages zu sehen, direkt zu Agliè, streichelte ihm neckisch die Wange und sagte: »Simon, du wirst mich doch nicht im Vorzim-mer warten lassen!« Es war Lorenza Pellegrini.
    Agliè wich einen Schritt zurück, küßte ihr die Hand und sagte, auf uns deutend: »Meine liebe, meine zarte Sophia, Sie wissen, daß Sie in jedem Hause, das Sie erleuchten, zu Hause sind. Aber ich war gerade dabei, diese meine Gäste zu verabschieden.«
    Lorenza bemerkte uns und winkte fröhlich — ich kann mich nicht erinnern, sie jemals verlegen oder von irgend etwas überrascht gesehen zu haben. »O wie schön!« rief sie.
    »Auch ihr kennt also meinen Freund! Hallo Jacopo, wie geht’s.« (Sie fragte nicht, wie es ihm ginge, sie sagte es einfach so.)
    Ich sah Belbo erbleichen. Wir begrüßten sie. Agliè zeigte sich erfreut über die gemeinsame Bekanntschaft. »Ich erachte unsere gemeinsame Freundin als eine der natürlichsten, unverfälschtesten Kreaturen, die ich jemals kennenzulernen das Glück hatte. In ihrer Frische verkörpert sie, gestatten Sie mir diese Phantasie eines alten Weisen, die auf diese Erde herab exilierte Sophia. Aber, meine zarte Sophia, ich habe es Ihnen nicht rechtzeitig sagen können, der versprochene Abend ist um ein paar Wochen verschoben worden. Ich bin untröstlich.«
    »Macht nichts«, sagte Lorenza, »dann warte ich eben. Ihr geht in die Bar?« fragte sie oder vielmehr befahl sie uns.
    »Gut, ich bleib noch ein halbes Stündchen, ich möchte, daß Simon mir eins von seinen Elixieren gibt, das müßtest du mal probieren, Jacopo, aber er sagt, es wär nur für die Auserwählten. Ich komme dann nach.«
    Agliè lächelte mit der Miene eines nachsichtigen Onkels, ließ sie Platz nehmen und geleitete uns zur Tür.
    Wir fanden uns auf der Straße wieder und machten uns auf den Weg zu Pilade, in meinem Wagen. Belbo schwieg. Wir sagten während der ganzen Fahrt kein Wort. Doch an der Theke mußte der Zauber gebrochen werden.
    »Ich hoffe, ich habe Sie nicht in die Hände eines Irren 346
    geführt«, sagte ich.
    »Nein«, sagte Belbo. »Der Mann ist bei klarem Verstand.
    Und feinsinnig. Nur lebt er in einer anderen Welt als wir.«
    Dann fügte er düster hinzu: »Oder beinahe.«
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    Die Traditio Templi postuliert per se die Tradition einer templerischen Chevalerie, einer spirituellen und initiatischen Ritterschaft...
    Henry Corbin, Temple et contemplation, Paris, Flammarion, 1980, p. 373
    »Ich glaube Ihren Agliè verstanden zu haben, Casaubon«, sagte Diotallevi, nachdem er bei Pilade einen Bianco frizzan-te bestellt hatte, woraufhin wir alle um seine geistige Gesundheit bangten. »Er ist ein Liebhaber der Geheimwissenschaften, der den Schwätzern und Dilettanten mißtraut.
    Aber wie wir heute ungebührlicherweise mitgehört haben, hört er sie an, während er sie verachtet, und kritisiert sie und sagt sich nicht von ihnen los.«
    »Dieser Herr, dieser Graf oder Markgraf Agliè oder was immer er sein mag, hat heute ein Schlüsselwort ausgesprochen«, sagte Belbo. »Spirituelle Ritterschaft. Er verachtet diese Leute, aber er fühlt sich mit ihnen durch das Band einer spirituellen Ritterschaft verbunden. Auch ich glaube ihn zu verstehen.«
    »In welchem Sinne?« fragten wir.
    Belbo war inzwischen beim dritten Gin Martini angelangt (Whisky am Abend, pflegte er zu sagen, denn er beruhigt und verleitet zur Träumerei, Gin Martini am späten Nachmittag, denn er macht munter und unternehmungslustig).
    Er begann, von seiner Kindheit in *** zu erzählen, wie er es schon einmal mir gegenüber getan hatte.
    »Es war zwischen 1943 und 1945, ich meine in den Jahren des Übergangs erst vom Faschismus zur Demokratie und dann wieder zur Diktatur der ›Sozialrepublik‹ von Salò, aber mit dem Partisanenkrieg in den Bergen. Ich war zu Anfang dieser Geschichte elf Jahre alt und lebte im Hause meines Onkels Carlo.
    Wir wohnten in der Stadt, aber 1943 waren die

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