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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Staatsdiener. Wenn er litt, gab er es nicht zu erkennen, er schwieg und leitete das Finanzamt weiter für die Regierung Badoglio. Dann kam der 8. September, unsere Gegend fiel unter die Kontrolle der Repubblica di Salò, Onkel Carlo fügte sich drein und erhob nun die Steuern für Mussolinis Rumpfstaat. Unterdessen rühmte sich Adelino 350
    Canepa seiner Kontakte mit den ersten Partisanengruppen in den Bergen und versprach exemplarische Rache. Wir Kinder wußten noch nicht, was Partisanen waren. Man erzählte sich fabelhafte Dinge über sie, aber noch niemand hatte einen gesehen. Man sprach von einem Chef der Badoglianer, einem gewissen Terzi (natürlich war das ein nom de guerre, wie damals üblich, und viele sagten, er hätte sich nach dem Terzi in den Dick-Fulmine-Comics genannt, dem Freund des Helden). Er war ein Ex-Maresciallo der Carabinieri, der in den ersten Schlachten gegen die Faschisten und die SS ein Bein verloren hatte und der nun alle Brigaden auf den Hü-
    geln rings um *** kommandierte. Und dann geschah es. Eines Tages zeigten die Partisanen sich im Ort. Sie waren aus den Hügeln heruntergekommen und stolzierten durch die Straßen, noch ohne bestimmte Uniformen, nur mit blauen Halstüchern, und ballerten MP-Salven in die Luft, um ihre Anwesenheit zu bekunden. Die Nachricht verbreitete sich im Nu, alle schlossen sich in ihren Häusern ein, man wußte ja noch nicht, was für Leute das waren. Tante Caterina äu-
    ßerte eine leichte Besorgnis, immerhin hieß es, das wären Freunde von Adelino Canepa, oder jedenfalls nannte sich Adelino Canepa ein Freund von ihnen, sie würden doch wohl dem Onkel nichts tun? Sie taten. Wir wurden informiert, daß gegen elf ein Trupp Partisanen mit vorgehaltener MP das Finanzamt gestürmt hatte, sie hätten den Onkel verhaftet und an einen unbekannten Ort verschleppt. Tante Caterina warf sich aufs Bett, fing an, einen weißlichen Schaum zu spucken, und schrie, Onkel Carlo würde umgebracht werden. Es genüge ein Schlag mit dem Gewehrkolben, und wegen der Metallplatte unter der Schädelhaut würde er auf der Stelle tot sein. Angelockt vom Geschrei der Tante, kam Adelino Canepa mit seiner Frau und den Kindern gelaufen. Die Tante schrie, er wäre ein Judas, er sei es gewesen, der den Onkel bei den Partisanen denunziert hätte, weil er die Steuern für Mussolini erhebe, Adelino Canepa schwor bei allem, was ihm heilig war, daß er’s nicht gewesen sei, aber man sah, daß er sich schuldig fühlte, weil er zu viel herumerzählt hatte. Die Tante jagte ihn fort. Adelino Canepa brach in Trä-
    nen aus, appellierte an meine Mutter, erinnerte sie an die vielen Male, wo er ihr ein Karnickel oder ein Hähnchen für eine lächerliche Summe überlassen hätte, meine Mutter hüll-351
    te sich in ein würdiges Schweigen, Tante Caterina spuckte weiter weißlichen Schaum. Ich heulte. Schließlich, nach zwei Stunden Heulen und Zähneklappern, hörten wir draußen Rufe, und Onkel Carlo erschien auf einem Fahrrad, das er mit seinem einen Arm lenkte, und es sah aus, als käme er von einer Spazierfahrt heim. Er sah sofort ein Durcheinander im Garten und hatte die Stirn zu fragen, was passiert sei.
    Er haßte Dramen, wie alle Leute in unserer Gegend. Er eilte hinauf, trat ans Schmerzenslager von Tante Caterina, die immer noch zappelte mit ihren mageren Beinen, und fragte, wieso zum Teufel sie sich so aufregte.«
    »Und was war passiert?«
    »Nun, vermutlich hatten die Partisanen die Gerüchte von Adelino Canepa gehört, hatten Onkel Carlo als einen örtlichen Repräsentanten des Regimes identifiziert und gefan-gengenommen, um ihm und dem ganzen Ort eine Lektion zu erteilen. Er war auf einem Lastwagen abtransportiert worden und hatte sich dann vor Terzi wiedergefunden, der schimmernd im Glanz seiner Orden vor ihm stand, die MP
    in der Rechten, die Linke auf seine Krücke gestützt. Und Onkel Carlo — aber ich glaube wirklich nicht, daß es Schläue war, es war eher Instinkt, Gewohnheit, ritterliches Ritual —
    hatte die Hacken zusammengeschlagen und salutiert: Major der Alpini Carlo Covasso, Kriegsveteran und Schwerinvali-de, Silbermedaille. Und Terzi hatte gleichfalls die Hacken zusammengeschlagen und salutiert: Maresciallo Rebauden-go von den Königlichen Carabinieri, Kommandant der Badoglianischen Brigade Bettino Ricasoli, Bronzemedaille. Wo?
    hatte Onkel Carlo gefragt. Und Terzi in Habachtstellung: Am Pordoi, Herr Major, Höhe 327. Teufel auch, hatte Onkel Carlo gesagt, ich war auf Höhe 328,

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