Das Foucaultsche Pendel
bis zur Bahre, auch die gesunde Abendunterhaltung, zu der man die Kinderlein mitnehmen kann, bevor man sie im Mörser zerstampft. Ich hörte ein Telefon klingeln und sah, wie der Buchhändler einen Stoß Papiere beiseite schob, bis er den Apparat fand. »Oui, Monsieur«, sagte er in die Muschel,
»c’est bien ça.« Er hörte ein paar Minuten schweigend zu, erst nickend, dann mit zunehmend perplexer Miene, aber —
so schien mir — eher für die Anwesenden, als könnten wir alle mithören, was sein Gesprächspartner sagte, und er wollte nicht die Verantwortung dafür übernehmen. Schließlich setzte er die entrüstete Miene des Pariser Ladeninhabers auf, der nach etwas gefragt wird, was er nicht vorrätig hat, oder des Hotelportiers, der einem sagen muß, daß kein Zimmer mehr frei ist. »Ah non, Monsieur. Ah, a... Non, non, Monsieur, c’est pas notre boulot. Ici, vous savez, on vend des livres, on peut bien vous conseiller sur des catalogues, mais ça... Il s’agit de problèmes très personnels, et nous... Oh, alors, il y a — sais pas, moi — des curés, des... oui, si vous voulez, des exorcistes. D’accord, je le sais, on connaît des confrères qui se prêtent... Mais pas nous. Non, vraiment, la description ne me suffit pas, et quand même... Désolé, Monsieur. Comment? Oui... si vous voulez. C’est un endroit bien connu, mais ne demandez pas mon avis. C’est bien ça, vous savez, dans ces cas-là, la confiance, c’est tout. A votre ser-vice, Monsieur.«
Die anderen beiden Kunden waren gegangen, mir war 681
mulmig zumute, aber ich nahm mich zusammen, zog die Aufmerksamkeit des Alten mit einem Räuspern auf mich und sagte ihm, daß ich einen Bekannten suchte, einen Freund, der gewöhnlich hier vorbeikomme, den Monsieur Agliè. Er sah mich an, als ob ich derjenige wäre, der ihn gerade angerufen hatte. Vielleicht kenne er ihn nicht unter dem Namen Agliè, sagte ich, sondern als Rakosky, oder Soltikoff, oder... Er sah mich weiter an, mit zusammengekniffe-nen Augen, ohne bestimmten Ausdruck, und meinte, ich hätte seltsame Freunde mit vielen Namen. Ich sagte, es sei nicht weiter wichtig, ich hätte nur mal so gefragt. Warten Sie, sagte er, mein Sozius kommt gleich, vielleicht kennt der die Person, die Sie suchen. Machen Sie sich’s solange bequem, da ist ein Stuhl. Ich telefoniere nur eben mal. Er nahm den Hörer ab, wählte eine Nummer und begann leise zu sprechen.
Casaubon, sagte ich mir, du bist ja noch dümmer als Belbo.
Worauf wartest du? Daß die kommen und sagen, oh, was für ein schöner Zufall, auch der Freund von Jacopo Belbo, kommen Sie, kommen auch Sie...
Mit einem Ruck stand ich auf, grüßte und ging. Lief eine Minute lang durch die Rue de la Manticore, bog dann in andere Gäßchen ein und fand mich am Ufer der Seine wieder. Idiot, sagte ich mir, was hast du denn erwartet? Daß du hinkommst, Agliè vorfindest, ihn am Jackett packst, und er sagt, verzeihen Sie, war alles nur ein Mißverständnis, hier haben Sie Ihren Freund wieder, wir haben ihm kein Haar gekrümmt...? Jetzt wissen die, daß du auch hier bist.
Es war früher Nachmittag, am Abend würde etwas im Conservatoire passieren. Was sollte ich tun? Ich bog in die Rue Saint-Jacques ein und schaute mich alle paar Schritte um. Nach einer Weile schien mir, daß ich von einem Araber verfolgt wurde. Aber wieso dachte ich, es wäre ein Araber?
Das charakteristische Merkmal der Araber ist, daß sie nicht wie Araber aussehen — jedenfalls in Paris, in Stockholm wär’s vielleicht was anderes.
Ich kam an einem Hotel vorbei, ging rein und fragte nach einem Zimmer. Als ich mit dem Schlüssel die Treppe hinaufging, sah ich den vermeintlichen Araber unten hereinkommen. Dann bemerkte ich im Flur noch andere Personen, die Araber sein konnten. Natürlich, in dieser Gegend gab es nur 682
Hotels für Araber. Was hatte ich denn erwartet?
Ich trat in das Zimmer. Es war anständig, es gab sogar ein Telefon, nur schade, daß ich beim besten Willen nicht wußte, wenn ich anrufen sollte.
Ich legte mich auf das Bett und versuchte ein bißchen zu schlafen. Um drei stand ich auf, wusch mir das Gesicht und machte mich auf den Weg zum Conservatoire. Jetzt blieb mir nichts anderes mehr übrig, als ins Museum zu gehen, mir dort ein Versteck zu suchen und zu warten, daß es Mitternacht wurde.
So tat ich es. Und so fand ich mich ein paar Stunden vor Mitternacht im Periskop, um auf etwas zu warten.
Nezach ist für einige Interpreten die Sefirah der
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