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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Whiskyglas auf den Tresen. »Er will von dem reden, was im Glas ist, aber was er auch tut, er redet daneben. Wenn Sie so 75
    wollen, um’s in allgemeinverständlichen Worten zu sagen: Er benimmt sich immer daneben, er ist der Typ, der sich nach dem Befinden der lieben Frau Gemahlin erkundigt, wenn einem die Frau gerade weggelaufen ist. Genügt das zur Veranschaulichung der Idee?«
    »Es genügt, ich kenne den Typ.«
    »Der Dämliche ist sehr gefragt, besonders bei mondänen Veranstaltungen und auf Parties. Er bringt alle in Verlegenheit, aber dann bietet er Anlässe zu Kommentaren. In seiner positiven Variante wird er Diplomat. Er redet neben dem Glas, wenn die anderen sich danebenbenommen haben, er bringt die Gespräche auf andere Themen. Aber er interessiert uns hier nicht, er ist nie kreativ, er schafft nichts selber, und daher kommt er auch nicht in die Verlage, um Manuskripte anzubieten. Der Dämliche sagt nicht, daß die Katze bellt, er spricht von Katzen, wenn die andern von Hunden reden. Er vertut sich mit den Konversationsregeln, und wenn er sich gut vertut, ist er wunderbar. Ich glaube, er ist eine aussterbende Gattung, ein Träger eminent bürgerlicher Tugenden. Er braucht einen Salon Verdurin, oder geradezu eine Maison Guermantes. Lest ihr noch diese Sachen, ihr Studenten?«
    »Ich schon.«
    »Der Dämliche ist Joachim Murat, der die Parade abnimmt und einen hochdekorierten Offizier aus Martinique erblickt.
    ›Vous êtes nègre?‹ fragt er ihn. ›Oui, mon general‹, antwortet der Offizier. Und Murat: ›Bravo, bravo, continuez!‹ Weitermachen. Können Sie mir folgen? Entschuldigen Sie, aber heute abend feiere ich eine historische Entscheidung in meinem Leben: Ich habe aufgehört zu trinken! Noch einen?
    Nein, antworten Sie nicht — Sie machen mir Schuldgefühle.
    Pilade!«
    »Und der Dumme?«
    »Ah. Der Dumme vertut sich nicht im Benehmen. Er vertut sich im Denken. Er ist der Typ, der sagt, alle Hunde sind Haustiere, und alle Hunde bellen, aber auch die Katzen sind Haustiere, und folglich bellen sie. Oder: Alle Athener sind sterblich, und alle Einwohner von Piräus sind sterblich, also sind alle Einwohner von Piräus Athener.«
    »Stimmt ja auch.«
    »Ja, aber nur aus Zufall. Der Dumme kann auch was Rich-76
    tiges sagen, aber aus falschen Gründen.«
    »Man kann auch was Falsches sagen, wenn nur die Grün-de richtig sind.«
    »Bei Gott! Wozu sonst die ganze Mühe, ein animal rationale zu sein?«
    »Alle großen Menschenaffen stammen von niederen Formen des Lebens ab, die Menschen stammen von niederen Formen des Lebens ab, also sind alle Menschen große Affen.«
    »Nicht schlecht. Wir sind schon auf der Schwelle, wo Sie zu ahnen beginnen, daß etwas nicht stimmt, aber es ist noch eine gewisse Arbeit nötig, um herauszufinden, was genau und warum. Der Dumme ist überaus heimtückisch. Den Dämlichen erkennt man sofort (ganz zu schweigen vom Idioten), aber der Dumme argumentiert fast genau wie man selber, es fehlt nur ein winziges Stückchen. Er ist ein Meister der Paralogismen. Vor ihm kann sich kein Verlagslektor retten, er bräuchte dafür eine Ewigkeit. Bücher von Dummen werden viele veröffentlicht, weil sie uns auf den ersten Blick überzeugen. Der Verlagslektor ist nicht gehalten, den Dummen zu erkennen. Die Akademie der Wissenschaften erkennt ihn nicht, warum sollten es die Verlagsleute tun?«
    »Auch die Philosophie erkennt ihn nicht. Der Gottesbe-weis des Anselm von Canterbury ist dumm: Gott muß existieren, weil ich ihn als ein Wesen denken kann, das alle Vollkommenheit besitzt, einschließlich der Existenz. Anselm verwechselt die Existenz im Denken mit der Existenz in der Realität.«
    »Ja, aber dumm ist auch die Widerlegung von Gaunilo: Ich kann an eine Insel im Meer denken, auch wenn es diese Insel nicht gibt. Er verwechselt das Denken des Zufälligen mit dem Denken des Notwendigen.«
    »Ein Kampf zwischen Dummen.«
    »Sicher, und Gott amüsiert sich dabei wie närrisch. Er wollte bloß undenkbar sein, um zu demonstrieren, daß Anselm und Gaunilo dumm waren. Welch ein erhabenes Ziel für die Schöpfung, was sage ich, für den Willensakt, kraft dessen Gott sein wollte. Alles finalisiert auf die Anprangerung der kosmischen Dummheit.«
    »Wir sind von Dummen umzingelt.«
    »Man entgeht ihnen nicht. Alle sind dumm, außer Ihnen 77
    und mir. Oder sogar, ohne wen zu beleidigen, außer Ihnen.«
    »Mir scheint, hier kommt Gödels Beweis ins Spiel.«
    »Keine Ahnung, ich bin ein Idiot.

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