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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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einen Gutschein und löst ihn im Orient ein.«
    »Das ist ein Kreditbrief«, sagte Belbo.
    »Genau, sie haben den Scheck erfunden, lange vor den ersten Bankiers in Florenz. Und folglich, so peu à peu, teils durch Schenkungen, teils durch Eroberungen mit Waffenge-walt, teils durch die Provisionen auf ihre Finanzoperatio-nen, werden die Templer ein multinationaler Konzern. Um solch ein Unternehmen zu führen, braucht man Leute, die den Kopf fest auf den Schultern haben, Leute, die imstande sind, einen wie Papst Innozenz III. zu überreden, ihnen au-
    ßerordentliche Privilegien einzuräumen: Der Orden darf alles, was er im Krieg erbeutet, behalten, und wo immer er Güter hat, untersteht er weder dem König noch den Bischö-
    fen, noch dem Patriarchen von Jerusalem, sondern ganz allein nur dem Papst. An jedem Ort vom Zehnten befreit, hat er das Recht, in den von ihm kontrollierten Gebieten selber den Zehnten einzutreiben... Mit einem Wort, er ist ein florie-rendes Unternehmen, in das niemand seine Nase reinstek-ken kann. Kein Wunder, daß er von den Bischöfen und den weltlichen Herren scheel angesehen wird, und doch kann niemand auf ihn verzichten. Die Kreuzfahrer sind Wirrköp-fe, Leute, die losziehen, ohne zu wissen, wohin und was sie dort vorfinden werden, die Templer dagegen sind dort zu Hause, sie wissen, wie man mit dem Feind verhandelt, sie kennen die Gegend und die Kriegskunst. Der Templerorden ist eine seriöse Angelegenheit, auch wenn sein Ruf auf den Rodomontaden seiner Sturmtruppen beruht.«
    »Waren es denn bloß Rodomontaden?« fragte Diotallevi.
    »Meistens schon, man staunt immer wieder über die Kluft zwischen ihrer politischen und administrativen Klugheit und ihrem draufgängerischen Stil à la Green Berets, bloß Mut und kein Hirn. Nehmen wir nur mal die Geschichte von Askalon...«
    »Ja, nehmen wir sie«, sagte Belbo, der sich für einen Moment weggedreht hatte, um mit übertrieben großer Gebärde eine gewisse Dolores zu begrüßen.
    Die so Begrüßte setzte sich zu uns an den Tisch und rief: 104
    »Au ja, ich will die Geschichte von Askalon hören, ich will sie hören.«
    »Also. Eines Tages beschließen der König von Frankreich, der deutsche Kaiser, König Balduin III. von Jerusalem und die beiden Großmeister der Templer und der Johanniter, die Stadt Askalon zu belagern. Alle ziehen los mit Riesentam-tam, der König, der Hofstaat, der Patriarch, die Priester mit ihren Kreuzen und Standarten, die Erzbischöfe von Tyrus, Nazareth und Cäsarea — kurz, die Belagerung wird wie ein großes Fest aufgezogen, mit Zelten vor den Mauern der Stadt und mit Kriegsbannern, Oriflammen, großen Wappenschil-dert und Trommeln... Askalon war mit hundertfünfzig Türmen befestigt, die Einwohner hatten sich seit geraumer Zeit auf die Belagerung vorbereitet, jedes Haus war mit Schieß-
    scharten versehen, jedes zu einer Festung in der Festung ausgebaut worden. Man sollte meinen, die Templer, die doch so dolle Typen waren, die hätten das wissen müssen. Aber von wegen, nix da, sie mühen sich ab, sie bauen sich Belage-rungsmaschinen, sogenannte Schildkröten und Türme aus Holz, ihr wißt schon, diese Dinger auf Rädern, die man bis vor die feindlichen Mauern schiebt, wo sie dann Steine und Brandfackeln schleudern, während von hinten die Katapulte große Wackmänner katapultieren... Die Belagerten versuchen, die Türme in Brand zu stecken, aber der Wind steht für sie ungünstig, die Flammen ergreifen die Mauern, das Mau-erwerk bricht an mindestens einer Stelle zusammen. Das ist die Bresche! Alle Belagerer rennen los wie ein Mann — und jetzt passiert das Seltsame: der Großmeister des Templerordens läßt den Zugang versperren, so daß nur seine Leute in die Stadt gelangen. Die Böswilligen behaupten später, er hät-te das nur getan, damit die Templer allein plündern könnten, die Gutwilligen meinen, er hätte einen Hinterhalt ge-fürchtet und wollte seine tapferen Krieger vorschicken. Na, jedenfalls, wie auch immer, ich würde ihn nicht zum Chef einer Militärakademie ernennen, denn was passiert? Vierzig Templer preschen mit achtzig Sachen quer durch die ganze Stadt, bis sie an die gegenüberliegende Mauer stoßen, brem-sen in einer großen Staubwolke, schauen sich verdutzt in die Augen und fragen sich, was zum Teufel sie da eigentlich wollen, machen kehrt und preschen zurück, Hals über Kopf direkt in den Hinterhalt der Sarazenen, die sie mit einem 105
    Hagel von Steinen und Glasscherben aus den Fenstern

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