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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ließen ein Seil mit einem Stein hinab und entdeckten, daß der Brunnen elf Meter tief war... Eine Woche später kamen sie mit stärkeren Seilen wieder, und während die anderen beiden das Seil hielten, ließ sich Ingolf in den Brunnen hinab und entdeckte eine große Kammer mit gemauerten Wänden, 152
    zehn mal zehn Meter groß und fünf Meter hoch. Nacheinander stiegen auch die anderen hinab und stellten fest, daß sie sich im dritten Untergeschoß befanden, dreißig Meter unter der Erde. Was die drei dort unten taten, ist nicht bekannt.
    Der Chronist gesteht, daß er, als er sich an Ort und Stelle begeben hatte, um die Sache nachzuprüfen, nicht den Mut fand, sich in den Brunnen abzuseilen. Die Geschichte erregte mich, und so beschloß ich, den Ort zu besichtigen. Doch seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts sind viele unterirdische Gänge zusammengestürzt, und wenn dieser Brunnen auch existiert haben mag, weiß heute niemand mehr, wo er sich befindet. Mir schoß durch den Kopf, daß die Dragoner dort unten etwas gefunden haben könnten. Gerade in jenen Tagen hatte ich ein Buch über das Geheimnis von Rennes-le-Château gelesen, auch so eine Geschichte, in der die Templer eine gewisse Rolle gespielt haben. Ein kleiner Landpfarrer ohne einen Pfennig und ohne Zukunft, der sich in einem Dorf von zweihundert Seelen eine alte Kirche restaurieren will, hebt im Chorboden eine Steinplatte ab und findet darunter ein Etui mit uralten Handschriften, sagt er. Nur mit Handschriften? Man weiß nicht genau, was passiert, aber in den folgenden Jahren wird er unendlich reich, wirft mit vollen Händen um sich, lebt in Saus und Braus, kommt vor ein Kirchengericht... Und wenn nun einem jener Dragoner oder beiden etwas Ahnliches passiert wäre? Ingolf steigt als erster hinunter, findet ein kostbares Objekt in handlichen Dimensionen, versteckt es unter der Jacke, steigt wieder hinauf und sagt den zwei anderen nichts... Kurzum, ich bin ein Dick-kopf, und wäre ich keiner, ich hätte ein anderes Leben ge-führt.« Der Oberst fuhr sich mit einem Finger über die Narbe. Dann hob er die Hände an die Schläfen und ließ sie rechts und links bis in den Nacken gleiten, um sich des ordnungs-gemäßen Zustandes seiner Frisur zu versichern.
    »Nun, ich fahre also nach Paris, gehe zur Post und suche alle Telefonbücher Frankreichs nach einer Familie Ingolf durch. Ich finde nur eine, in Auxerre, und schreibe, ich sei ein Privatgelehrter, der sich für archäologische Dinge interessiere. Zwei Wochen später erhalte ich Antwort von einer alten Wäscherin: sie sei die Tochter jenes Ingolf und würde gern wissen, warum ich mich für ihn interessierte, ja ob ich um Gottes willen womöglich etwas von ihm wüßte... Ich 153
    sagte ja, daß da ein Geheimnis lag. Ich eilte sofort nach Auxerre, das Fräulein Ingolf lebt in einem ganz mit Efeu zuge-wachsenen Häuschen mit einem hölzernen Gartentürchen, das nur mit einem Bindfaden und einem Nagel verschlossen ist. Ein bejahrtes Fräulein, reinlich und nett, nicht sehr gebildet. Fragt mich gleich, was ich von ihrem Vater wisse, und ich sage ihr, ich wisse nur, daß er eines Tages in einen unterirdischen Raum in Provins hinabgestiegen sei und daß ich eine historische Studie über jene Gegend schriebe. Sie fällt aus allen Wolken, nie gehört, daß ihr Vater je in Provins gewesen war. Gewiß, er sei bei den Dragonern gewesen, aber er habe den Dienst schon anno 95 quittiert, noch vor ihrer Geburt. Er habe dann jenes Häuschen in Auxerre gekauft und drei Jahre später ein Mädchen aus dem Ort gehei-ratet, das ein paar Ersparnisse hatte. Die Mutter sei dann 1915 gestorben, als sie, die Kleine, erst fünf Jahre alt war.
    Was den Vater betreffe, der sei 1935 verschwunden. Ja, buchstäblich verschwunden. Er sei nach Paris gefahren, wie er es mindestens zweimal im Jahr gemacht habe, und seither habe sie nichts mehr von ihm gehört. Die lokale Gendarmerie habe nach Paris telegraphiert: nichts, in Luft aufgelöst. Vermutlich tot. Und so war unser Fräulein allein geblieben und hatte angefangen zu arbeiten, weil mit dem väterlichen Erbe nicht viel los war. Offenbar hatte sie keinen Mann gefunden, und aus den Seufzern zu schließen, die sie an dieser Stelle ausstieß, muß es da eine Geschichte gegeben haben, die einzige in ihrem Leben, und die endete offenbar schlecht. ›Und dann immer mit dieser Angst, Monsieur Ardenti, mit diesen andauernden Gewissenbissen, nichts über den armen Papa zu wissen, nicht mal wo sein

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