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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Italiener oder Spanier oder Polen, der angeblich ein großes Vermögen in Mexiko erworben hatte und dann nach Konstantinopel geflohen war, mit den Juwelen seiner Frau. Die sichersten Auskünfte über ihn finden sich in den Memoiren der Madame de Hausset, einer Hofdame der Pompadour (schöne Empfehlung, meinte Am-
    * ein Mann, der niemals stirbt und der alles weiß... **ein Graf zum Lachen 214
    paro intolerant). Er war unter diversen Namen aufgetreten, als Surmont in Brüssel, als Welldone in Leipzig, als Marquis von Aymar, von Bedmar oder von Belmar, als Graf Soltikoff.
    In London, wo er als Geiger und Cembalist in den Salons brillierte, wurde er 1745 verhaftet; drei Jahre später erscheint er in Paris und bietet Ludwig XV. seine Dienste als Experte für Tinkturen an, im Tausch gegen eine Suite im Château de Chambord. Der König verwendet ihn für diplomatische Mis-sionen in Holland, wo er irgend etwas anstellt und daraufhin erneut nach London flieht 1762 finden wir ihn in Ruß-
    land wieder, dann erneut in Belgien. Dort begegnet er Casanova, der berichtet, wie er eine Münze in Gold verwandelt habe. 1776 ist er in Potsdam am Hofe Friedrichs des Großen, dem er verschiedene chemische Projekte vorlegt, acht Jahre später stirbt er in Schleswig, im Dienst des Landgrafen von Hessen, für den er im Begriff war, eine Farbenfabrik zu errichten.
    Nichts Außergewöhnliches, die typische Karriere eines Abenteurers im achtzehnten Jahrhundert, mit weniger Lie-besaffären als Casanova und weniger theatralisch inszenier-ten Betrügereien als Cagliostro. Im Grunde, abgesehen von ein paar Zwischenfällen, genoß er ein gewisses Ansehen bei den Mächtigen, denen er die Wunder der Alchimie versprach, aber mit industrieller Verve. Nur daß sich um ihn, und sicher von ihm genährt, das Gerede von seiner Unsterblichkeit bildete. In den Salons erzählte er mit unbefangener Miene von Abenteuern aus fernen Zeiten, als wäre er Au-genzeuge gewesen, und pflegte seine Legende mit Anmut, quasi con sordino.
    Mein Buch zitierte auch eine Stelle aus Gog von Giovanni Papini, in der eine nächtliche Begegnung an Deck eines Überseedampfers geschildert wird: bedrückt von seiner mehrtausendjährigen Vergangenheit, von den zahllosen Erinnerungen, die ihm immerfort durch den Kopf gehen, hat der Graf von Saint-Germain hier Töne der Verzweiflung, die an Funes »el memorioso« von Borges erinnern, nur daß Papinis Text von 1930 ist. »Glauben Sie nicht, daß unser Los zu beneiden wäre«, sagt der Graf zu Gog. »Nach ein paar Jahrhunderten ergreift ein unheilbarer Überdruß von uns unseligen Unsterblichen Besitz. Die Welt ist monoton, die Menschen lernen nichts und verfallen in jeder Generation wieder 215
    in dieselben Fehler und Greuel, die Geschehnisse wiederholen sich nicht, aber sie ähneln einander... keinerlei Neuhei-ten mehr, keine Überraschungen, keine Offenbarungen. Ich kann Ihnen gestehen, jetzt, da nur das Rote Meer uns zuhört: Meine Unsterblichkeit hängt mir zum Halse heraus. Die Erde hat keine Geheimnisse mehr für mich, und ich habe keine Hoffnung mehr in meinesgleichen.«
    »Kurioser Typ«, kommentierte ich. »Klar, daß unser guter Agliè sich darin gefällt, ihn zu verkörpern. Alter Aristokrat, ein bißchen müde geworden, muß nicht aufs Geld sehen, hat Zeit zum Reisen und eine Neigung zum Übernatürlichen.«
    »Ein konsequenter Reaktionär, der den Mut hat, dekadent zu sein. Im Grunde ziehe ich ihn den demokratischen Bourgeois vor«, sagte Amparo.
    »Women power, women power, und dann fällst du in Verzückung wegen einem Handkuß!«
    »Ihr habt uns so erzogen, jahrhundertelang. Jetzt laßt uns wenigstens die Zeit, uns allmählich zu befreien. Ich hab schließlich nicht gesagt, daß ich ihn heiraten will.«
    »Na Gott sei Dank.«
    Eine Woche später rief Agliè an. Es sei soweit, heute abend würde man uns in einem Terreiro de Candomblé empfangen. Man würde uns nicht zum Ritus zulassen, weil die Ialorixá den Touristen mißtraue, aber sie selbst würde uns vorher empfangen und die Örtlichkeit zeigen.
    Er holte uns im Auto ab, und wir fuhren durch die Favelas hinter den Hügeln. Das Gebäude, vor dem wir hielten, wirkte bescheiden wie eine Mietskaserne, aber am Eingang empfing uns ein alter Neger, der uns mit Weihrauch reinigte.
    Weiter vorn in einem schmucklosen Garten sahen wir eine Art großen flachen Korb aus Palmwedeln, auf dem einheimi-sche Leckereien ausgebreitet waren, die comidas de santo.
    Innen fanden wir einen

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